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6,5 Monate Bankengewinne könnten die deutsche Gesellschaft vor einer fossilen Subprime-Krise bewahren

#SafeTransition
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Die Höhe der Kreditforderungen von Banken in fossilen Energieunternehmen erzeugen die reale Gefahr einer „fossilen Subprime-Krise“.  Um diesen neuen Risiken adäquat entgegenzuwirken, müssten die Eigenkapitalanforderungen der europäischen Bankenregulierung deutlich angepasst werden. Für deutsche Banken entspricht dies den Gewinnen von 6,5 Monaten.

Die Bankenaufsichtsbehörden zeigen sich zunehmend besorgt über die Wechselbeziehungen zwischen Klimawandel und Finanzstabilität. Die Finanzierung des fossilen Energiesektors durch Banken ist dabei der Kernpunkt des Problems, da Kohle, Öl und Gas die Hauptverursacher des sich beschleunigenden Klimawandels sind.

Viele Anlagen zur Förderung, Produktion und Verarbeitung fossiler Brennstoffe müssen deshalb vor dem Ende ihrer Nutzungsdauer stillgelegt werden (sind dann “gestrandet”), um den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft herbeizuführen. Für Finanzinstitute ist dies mit enormen Kosten verbunden. Die Bewertung und Handhabung dieser klimabedingten finanziellen Risiken ist nunmehr ein zentraler Schwerpunkt der Aufsichtsbehörden weltweit. Ziel ist es, ein erneutes Lehman Brothers-Ereignis zu verhindern, das im Jahr 2008 den Beginn der Subprime-Krise markierte.

In einer Studie schätzt Finance Watch, dass die 60 weltweit größten Banken Kredite in Höhe von rund 1,35 Billionen US-Dollar für Öl-, Gas- und Kohleunternehmen in ihren Bilanzen stehen haben. Die Eigenkapitalanforderungen für Banken tragen den erhöhten Risiken dieser Finanzierungen jedoch nicht Rechnung.

Am wirksamsten ließe sich dies durch eine Säule 1-Anforderung erreichen, die derzeit von den Gesetzgebern in der EU und in Kanada geprüft wird:

Anwendung eines sektoralen Risikogewichts in Höhe von 150 Prozent für Kreditforderungen gegenüber Unternehmen, die in Förderung, Produktion und Verarbeitung bereits erschlossener fossiler Brennstoffe tätig sind.

Die neue Studie soll den Gesetzgebern bei der Bewertung dieses Vorschlags dadurch unterstützen, dass sie die Auswirkungen auf das Eigenkapital der Banken beziffert und die Folgen für die Kreditvergabe und die Bankenaufsicht betrachtet. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass eine solche Maßnahme ohne Auswirkungen auf die Kreditvergabekapazität von Banken umsetzbar wäre.

Das Maß bestimmen – Zusätzlicher Kapitalbedarf weltweit und in Deutschland

Unsere Studie befasst sich mit den 60 weltweit größten Banken, einschließlich der 28 Banken, die auf globaler Ebene als systemrelevant gelten, und der 22 nach Bilanzsumme größten EU-Banken. Die Studie stellt fest, dass die Anwendung eines Risikogewichts in Höhe von 150 Prozent – dem Risikogewicht, das nach dem Basler Rahmenwerk für Vermögenswerte mit höherem Risiko gilt – auf die Kreditforderungen im Bereich fossiler Energieindustrien zusätzliches Kapital in Höhe von insgesamt etwa 3 bis 5 Monatsgewinnen dieser Banken erfordern würde.

Die durchschnittliche erforderliche Zuführung von Gewinnen zum Eigenkapital je betrachteter (Groß-)Bank der Studie würde sich auf 3,05 Milliarden US-Dollar belaufen. Für die Hälfte der Banken in unserer Stichprobe würde es 1,81 Milliarden US-Dollar oder weniger betragen. Dies entspricht 2,85 Prozent des derzeitigen Eigenkapitals der Banken oder 3,42 Monate ihres zusammengefassten Jahresergebnisses 2021. Die Hälfte der Banken könnte dies in 2,71 Monaten oder weniger aus ihren Gewinnen decken. Wenn sie Anfang Oktober 2022 damit begonnen hätten, wäre der Schritt bis Weihnachten abgeschlossen! Einige Ausreißer-Banken würden jedoch aufgrund ihres hohen Engagements in fossilen Energieindustrien oder ihrer in 2021 geringen Rentabilität mehr Zeit benötigen.

In der Praxis hätten die Banken mehr Zeit dem nachzukommen, da derartige Kapitalmaßnahmen normalerweise über längere Zeiträume gestreckt werden.

Für Deutschland sind unsere Ergebnisse in diesem PDF zusammengefasst.

Eine geringfügige und keineswegs radikale Veränderung – Auswirkungen auf die Kreditvergabe

Wir sind der Ansicht, dass die Kapitallücke durch die Einbehaltung von Gewinnen in relativ kurzer Zeit geschlossen werden kann, ohne dass es zu einer Verringerung der Kreditvergabekapazität kommt. Dies ist wichtig, um die Wende zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu unterstützen.

Eine weitaus größere Kapitalerhöhung wurde nach der globalen Finanzkrise durchgeführt, als die Banken innerhalb von 18 bis 24 Monaten ihr Kapital aufstockten, ohne dabei ihre Kreditvergabekapazität oder ihre Bilanzsumme zu verringern. Hierzu setzten sie auf eine Kombination aus einbehaltenen Gewinnen und höheren Kreditzinsen.

Sobald der Gesetzgeber ein sektorales Risikogewicht für Kreditforderungen an fossile Brennstoffanlagen anwendet, sollten die Aufsichtsbehörden mit den Banken zusammenarbeiten, um die erforderliche Kapitalerhöhung innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens zu erreichen. Auf diese Weise wäre sichergestellt, dass eine identifizierbare Risikokategorie rechtzeitig angegangen wird und aus einer systemischen Perspektive optimal verwaltet wird. Dies würde auch verhindern, dass wenn Klimarisiken plötzlich Realität werden, wir wie von einer Klippe fallen. Panikverkäufe im Zusammenhang mit einer möglichen ungeordneten Transition würden ebenfalls verhindert werden.

Beamte auf Streife – Auswirkungen auf die Aufsicht

Mehrere Aspekte könnten für die Aufsichtsbehörden bei der Durchführung der Maßnahme von Bedeutung sein:

  • Aufsichtsbehörden könnten die höhere Risikogewichtung über einen Zeitraum einführen, der dem Umfang und den Laufzeiten der bestehenden Kreditengagements der Banken in fossile Brennstoffe entspricht. Damit werden störende Auswirkungen auf die laufende Kreditvergabe vermieden, z. B. wie Kreditpreise und Vereinbarungen beeinflusst werden.
  • Der Zeitraum sollte auch lang genug sein, um die Fähigkeit der Banken widerzuspiegeln, Kapital organisch durch ihre Rentabilität zu erwirtschaften, die derzeit angesichts steigender Zinssätze einen Aufwärtstrend aufweist. Ein angemessener Umsetzungszeitraum würde hierbei sicherstellen, dass die Kreditvergabekapazität der Banken durch die Maßnahmen nicht eingeschränkt würde. Banken mit geringer Rentabilität oder hohen Engagements in fossilen Brennstoffen benötigen jedoch möglicherweise mehr Zeit für die Umsetzung der Maßnahme.
  • In der EU gelten ab Dezember 2022 neue ESG-Anforderungen für Banken, was bedeutet, dass die Aufsichtsbehörden in der Lage sein werden, ohne zusätzliche Aufsichtsressourcen Vermögenswerte zu identifizieren, für die das Risikogewicht von 150 % gilt, was eine einfachere (und effektivere) Möglichkeit zum Schließen der Aufsichtslücke darstellt als einige andere Ansätze.
  • Ein Teil des in dieser Studie geschätzten zusätzlichen Kapitals wird sich mit dem neuen Kapital überschneiden, das die Banken ohnehin für die endgültige Umsetzung von Basel 3 aufbringen müssen, einschließlich des Output-Floors. Wir schätzen, dass die Überschneidung das zusätzliche Kapital um etwa 10 % reduzieren könnte.
  • Die Aufsichtsbehörden könnten die Kapitalbehandlung einzelner Banken durch diskretionäre Maßnahmen im Rahmen der Säule 2 feinabstimmen, um beispielsweise klimabedingte Konzentrationsrisiken oder die Qualität der Umstellungspläne von Bankkunden zu berücksichtigen.

Zu den Vorteilen dieses Ansatzes gehören:

  • Den Banken würde es weiterhin freistehen, Kredite an Unternehmen, die fossile Brennstoffe herstellen, zu risikobereinigten Marktpreisen zu vergeben. Da es sich hierbei um eine rein aufsichtsrechtliche Maßnahme zum Schutz vor Bankenverlusten handelt, wird den Aufsichtsbehörden nicht vorgeworfen, Politik zu machen.
  • Die Behandlung als „höheres Risiko“ würde den Banken einen Puffer gegen das Risiko von Dominoverlusten aus der Abschreibung von Vermögenswerten und der Dynamik von Notverkäufen bieten. Eine höhere Kapazität zur Verlustabsorption stellt den einzig wirksamen Weg dar, um die Resilienz der Banken gegenüber den unvorhersehbaren und störenden Auswirkungen des Klimawandels zu erhöhen.
  • Der Übergang zu einer höheren Risikogewichtung könnte jetzt beginnen, ohne jahrelang auf Fortschritte in der Klimarisikomodellierung warten zu müssen, auf die sich das Risikomanagement der einzelnen Banken stützen kann (wohl wissend, dass die bestehenden Modelle die zutiefst unsichere und zukunftsorientierte Natur der klimabezogenen Risiken ohnehin nicht erfassen können). Dies würde die Auswirkungen von Modellierungsfehlern vermeiden und die Zeit verkürzen, in der sich klimabedingte finanzielle Risiken anhäufen können. Das wiederum würde die Risiken und Auswirkungen einer ungeordneten zukünftigen Berichtigung verringern.

Die Subvention von Kohle, Öl und Gas beenden

Die derzeitige Praxis, das Engagement der Banken in Bezug auf fossile Brennstoffe nicht als „höheres Risiko“ einzustufen, ermöglicht es den Banken, Unternehmen für Investitionen in fossile Brennstoffe Finanzierungen zu künstlich niedrigeren Zinssätzen zu gewähren. Da das Kreditrisiko bei der Bank verbleibt, handelt es sich in Wirklichkeit um eine Subvention der Banken für die Kohle, Öl, und Gasindustrie, was die Effizienz der Kreditvergabe der Banken verringert.

Auf Grundlage der von McKinsey prognostizierten Eigenkapitalrendite der Banken in den nächsten Jahren (7 % bis 12 %) schätzen wir, dass dieser Werttransfer rund 18 Milliarden USD pro Jahr wert ist. Dies entspricht einer Unterbewertung der Banken für ihr 1,3 Billionen Dollar schweres Portfolio an Engagements in Anlagen, die mit fossilen Brennstoffen in Verbindung stehen, um 1,3 % pro Jahr.

Diese „Subventionierung“ benachteiligt die Finanzierung von nachhaltigen Projekten und Projekten im Zusammenhang mit der grünen Wende deutlich.

Die oben skizzierte Aufsichtsreform kann dazu beitragen, dieses Problem zu lösen, und gleichzeitig ein dringend benötigtes Sicherheitsnetz für die Wirtschaft und die Gesellschaft im Allgemeinen schaffen.

In Europa bietet die derzeitige Überarbeitung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften für Banken – im Rahmen der Überarbeitung der Eigenkapitalverordnung und -richtlinie – eine einmalige Gelegenheit zur Einführung eines sektoralen Risikogewichts für Engagements in fossilen Brennstoffen. Anschließend sollten die Aufsichtsbehörden mit den Banken zusammenarbeiten, um die Änderungen über einen angemessenen Zeitrahmen einzuführen, der die Banken und ihre Kunden vor nachteiligen Folgen schützt, während die aufsichtsrechtliche Lücke geschlossen wird. Dies ist von entscheidender Bedeutung, um deutsche Banken vor klimabezogenen Risiken zu schützen, die mit der Finanzierung der fossilen Brennstoffindustrie und Disruptionen aufgrund des sich beschleunigenden Klimawandels verbunden sind, ohne ihre Fähigkeit zur Kreditvergabe zu verringern.

Unseren Bericht herunterladen

Anmerkungen:

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