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Aus der Geschichte lernen III: Trennbankensysteme (1/3) Die andere Trennung: Trennung von Banken und Handel in den Vereinigten Staaten

Banking separation
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Cet article est le troisième d’une série intitulée “Les leçons de l’histoire”, qui vise à fournir des éléments de contexte historique aux problématiques financières aujourd’hui.

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Historic photograph © Museum of American Finance, NYC

Um die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken in die richtige Perspektive zu setzen, hilft es sich auf jene Argumente zurückzubesinnen, die zu einer viel älteren Trennung geführt haben, und deren Besonderheit es ist, die Deregulierungswelle der 1990er Jahre unbeschadet überstanden zu haben: die Trennung von Banken und Handel in den Vereinigten Staaten.

In der Folge der Krise von 2008 haben sich viele bekannte Persönlichkeitenund auch Finance Watch für eine EU-Bankenstrukturreform ausgesprochen.Eine der wesentlichen Maßnahmen ist dabei die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken. In der aktuellen Debatte scheinen viele zu vergessen, dass die Idee, der Kreditvergabe von Banken Grenzen zu setzen und ein Auge zu haben auf die riskanten Vermögenswerte, in die sie investieren, fast so alt ist wie die Banken selbst. Weil die Banken über erhebliche Vermögenswerte verfügen, „wurde den Banken bereits 1374 vom Staat verboten, mit bestimmten Rohstoffen zu spekulieren” [Symons, 1971].

Zum Schutz der Realwirtschaft

Die Architekten des amerikanischen Bankensystems, hervorzuheben ist dabei Alexander Hamilton (1757-1804), nahmen sich ein Vorbild an Großbritannien. Sie waren davon überzeugt, dass Banken vom Handel, also von dem, was wir heute als Realwirtschaft bezeichnen, getrennt sein sollten. Doch auch Ende des 18. Jahrhunderts gab es immer noch keine Bankengesetze. Finanzinstitute waren vielmehr durch die Einführung sog. Chartas geregelt: Banken benötigten eigene Satzungen, um eine Geschäftserlaubnis zu erhalten, außerdem fügten regionale oder nationale Behörden aufsichtsrechtliche Bestimmungen in die bankeigenen Chartas ein.

Im 19. Jahrhundert, als der industrielle Kapitalismus Fahrt aufnahm, baute die Finanzmarktregulierung bereits auf zwei Prinzipien auf: “Das erste Prinzip, das die Bandbreite der Bankenaktivitäten begrenzt, basiert auf erhöhter Sicherheit und Solidität sowie dem Fehlen erheblicher Risiken, sowohl für die Einlagen als auch für das Währungssystem als ganzes. Ein zweites, damit verknüpftes Prinzip, das insbesondere die Kreditvergabe und den Kreditaustausch innerhalb der Bankenaktivitäten begrenzt, beruht auf wirtschaftlicher Neutralität bei der Verteilung der wirtschaftlichen Ressourcen” [Symons, 1971]. Mit anderen Worten: Banken sollten gesund sein und sich nicht in den Wettbewerb in der Realwirtschaft einmischen.

Die Trennung von Banken und Handel

Im Jahre 1863 wurde der „National Banking Act” auf Bundesebene verabschiedet. Das Gesetz ähnelt stark dem „Free Banking Act”, der im Jahr 1838 im Bundesstaat New York eingeführt wurde. Beide Gesetze sehen vor, dass sich Banken auf das „Bankengeschäft” beschränken sollen, d.h. im Wesentlichen auf “das Einlagengeschäft, die Kreditvergabe und den Kreditaustausch” [Symons, 1971]. Ziel war es, Banken die Teilhabe an Geschäften zu verbieten, die als zu riskant angesehen wurden.

Die Trennung von Banken und Handel hatte zur Folge, dass keine Aktien mehr gehalten werden durften. Tatsächlich ist der Besitz von Aktien gleichbedeutend mit dem Besitz eines Unternehmens, und Banken durften keine kommerziellen Unternehmen besitzen. So hat im Jahre 1852 ein Gericht im Fall Talmage vs Pell den Kauf von Aktien für nichtig erklärt, weil die Banken “diese Aktien wie eine Ladung Baumwolle erworben hatten, um sie auf dem Markt anzubieten, dort auf eigenes Risiko zu verkaufen, und zwar zum höchst möglichen Preis”. Dies führte zu einem durchgängigen Verbot des Aktienhandels. So kam es, dass die Trennung von Banken und Handel später dann zur Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken führte. Und das erklärt auch, warum die Letzteren zuallererst in den Vereinigten Staaten im Jahr 1933 eingeführt wurden (siehe Artikel zum Glass-Steagall Act).

Im 19. Jahrhunderts wurde die Rechtsprechung nuancierter. Richter machten nun den Unterschied zwischen dem legalen und illegalen Besitz von Aktien. Eine Aktie als passive Sicherheit zu besitzen und später durch ihren Verkauf einen Gewinn zu erzielen, war gestattet. Dagegen war der Besitz von Aktien verboten, der es erlaubte, ein Unternehmen zu steuern. Mit dem Crash von 1929 brach dann das ganze Rechtssystem in sich zusammen, weil die Banken ein Netz aus Filialen aufgebaut hatten, die wiederum nicht reguliert waren und daher mit Aktien Handel betreiben konnten. Diese Konstellation war eine der Hauptursachen für den Börsencrash, der schließlich in die Große Depression führte.

Diese Ereignisse haben zu einem härteren Durchgreifen gegen das Spekulieren geführt, da es für den Zusammenbruch verantwortlich gemacht wurde, und dabei insbesondere das Spekulieren auf den Finanzmärkten. In den Vereinigten Staaten sind daher strengere gesetzliche Regeln eingeführt worden, damit sich Banken wieder auf ihr klassisches Geschäft konzentrieren. Auch in der Nachkriegszeit lebte diese Haltung fort: Im Jahr 1956 verabschiedete der Kongress den „Bank Holding Company Act”, der es Banken verbietet, Unternehmen zu besitzen und umgekehrt.

Aktuelle Deregulierung

Doch in den letzten 25 Jahren hat es enorme Veränderungen im Banken-und Finanzsektor gegeben, inbesonders die Deregulierung hat zu einem massiven Wachstum des Finanzsektors geführt. Im Jahr 1999 hat der „Gramm-Leach-Bliley Act” den „Glass-Steagall Act” von 1933 aufgehoben, der bis dahin die Geschäfts- und Investmentbanken in den USA voneinander getrennt hatte.

Doch trotz intensiver Lobbyarbeit, bei der behauptet wurde, dass eine Diversifikation des Bankensektors die Banken solider machen würden**, brachte das Gesetz von 1999 nicht das Ende der Trennung von Banken und Handel. Noch heute können US-Banken zwar mit Aktien handeln, sie dürfen jedoch weiterhin nicht die Kontrolle über Handelsgesellschaften übernehmen.

Wal-Mart, eine glückliche Entscheidung

Im Jahr 2005, als man an den Finanzmärkten noch in der Vorkrisen-Euphorie schwebte, löste Wal-Mart eine nationale Debatte in den Vereinigten Staaten aus, als das Unternehmen bei der „Federal Deposit Insurance Corporation” den Antrag stellte, seine eigene „Industrie Loan Company” aufzubauen (mehr über die FDIC und ILCs weiter unten***). ILCs bilden die einzig verbleibende Ausnahme bei der Trennung von Banken und Handel.

Überwältigt von Ausmaß und Intensität des Wal-Mart-Lobbying verhängte die FDIC ein einjähriges Moratorium für alle Übernahmen von ILCs durch kommerzielle Unternehmen und rief den Kongress an, um zu entscheiden, ob solche Akquisitionen verboten werden sollten. Sowohl Wal-Mart als auch die Weltwirtschaft sollten der FDIC dankbar für diese Entscheidung sein, denn sie hat verhindert, dass die Kreditblase durch die immense Marktmacht des weltweit größten Einzelhändlers weiter gespeist worden wäre. Vor dem Hintergrund der Krise von 2008 erscheint diese Entscheidung, die auf einem 300 Jahre alten Prinzip beruht, und zwar dass Banken und Handel getrennt sein sollten, in der Tat sehr weise. So wie sie auch in der Zeit nach dem Crash von 1929 angebracht war und wie sie bereits die Gründer des amerikanischen Bankensektors getroffen hatten.

Der nächste Artikel in der Serie zum Trennbankensystem (2/4) beschäftigt sich mit dem Glass-Steagall Act und erklärt, wie es in Amerika dazu kam, die Investment- und Geschäftsbanken zu trennen.

Fabien Hassan

 

Wenn Sie mehr wissen wollen

  • SYMONS JR, Edward L. Business of Banking in Historical Perspective. Geo. Wash. L. Rev., 1982, vol. 51, p. 676.
  • WILMARTH JR, Arthur E. Wal-Mart and the separation of banking and commerce. Conn. L. Rev., 2006, vol. 39, p. 1539.

Notes:

** Das Argument, dass der Bankensektor diversifiziert werden sollte, war weit verbreitet unter den Ökonomen, die für Wal-Mart Lobbyarbeit betrieben, damit das Unternehmen seine eigene Bank betreiben konnte. Allerdings widerspricht dies den Grundprinzipien der Finanzwirtschaft. Grundsätzlich sollte die Diversifizierung nicht auf der Ebene des Industrieunternehmens selbst stattfinden, sondern auf der Ebene seines Finanz-Portfolios: Stellen Sie nicht Sonnenschirme und Eis her, wenn es keine Skaleneffekte gibt. Lassen Sie stattdessen Investoren Anteile von zwei verschiedenen Unternehmen erwerben. Die Rolle der Finanzmärkte besteht ja gerade darin, mit solchen Risiken umzugehen, und dies erklärt auch, warum diversifizierte Holding-Gesellschaften immer unter Nennwert auf den Finanzmärkten gehandelt werden.

***

FDIC

Die FDIC wurde vom Kongress als “unabhängige Agentur eingerichtet, um die Stabilität und das Vertrauen der Öffentlichkeit in das nationale Finanzsystem durch die Absicherung von Einlagen zu erhalten” (http://www.fdic.gov). Es handelte sich dabei um eine der zentralen Maßnahmen, die Roosevelt im Rahmen des berühmten Banking Acts von 1933 eingeführt hatte, der nach dem Crash von 1929 künftigen Finanzkrisen vorbeugen sollte.

ILCs

“Industrial loan companies and industrial banks (zusammen ILCs) sind von der FDIC beaufsichtigte Finanzinstitute, die sich u.a. dadurch charakterisieren, dass sie im Besitz von kommerziellen Unternehmen sein können, die nicht von einer nationalen Bankenaufsichtsbehörde überwacht werden ” (http://www.fdic.gov). In der Regel erteilen sie kleine Kredite an Verbraucher und/oder an die eigenen Mitarbeiter.

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