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Bankenunion: Ein zentrales Projekt bleibt unvollendet

Financial Regulation
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Robert Cutts (CC BY-SA 2.0)

Die Bankenunion ist ein ambitioniertes Projekt.

Ehrgeizig ist die Bankenunion schon aufgrund ihrer Zielsetzung, sowohl ein krisenfestes Bankensystem zu schaffen, das fördernd auf die europäische Wirtschaft wirkt, als auch dem absurden Teufelskreis zwischen Banken und Staaten ein Ende zu setzen: Die europäischen Banken leihen den EU-Mitgliedstaaten Geld, während sie gleichzeitig darauf vertrauen, dass diese Staaten ihnen aus der Patsche helfen, wenn sie in Schwierigkeiten sind, insbesondere deshalb, weil die Staaten unfähig sind, ihre Schulden zurückzuzahlen …

Auch aus technischer Sicht ist es ein ehrgeiziges Projekt, da es drei Mechanismen umfasst:

  • einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus für alle Banken in der Eurozone;
  • einen einheitlichen Mechanismus zur Bankenabwicklung, damit die öffentlichen Behörden ins Management der Banken eingreifen können, wenn diese in Schwierigkeiten geraten und noch bevor sie in Konkurs gehen. Das geschieht mit der Absicht, die negativen Folgen für Bankkunden abzuwenden, insbesondere für Sparer, sowie für Steuerzahler, die um Hilfe gebeten werden, wenn die Bank als zu wichtig gilt, als dass man sie pleite gehen lassen dürfte;
  • einen gemeinsamen Einlagensicherungsfonds, der ohne Rückgriff auf Steuerzahlergeld alle Bankeinlagen bis zu 100.000 € pro Einleger sichert. Es sei daran erinnert, dass die EU-Staaten seit 2008 rund 1.600 Milliarden Euro in Form von Garantien bereitgestellt und 400 Milliarden Euro ausgegeben haben, um ihre Bankensysteme zu retten.

Ehrgeizig ist die Bankenunion auch in politischer Hinsicht, da sie ein gemeinsames Einlagensicherungssystem vorsieht sowie einen europäischen Mechanismus, der die Kontinuität des Bankensystems garantieren soll, und zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit der in Schwierigkeiten geratenen Banken.

Das Projekt basiert auf der EU-Richtlinie zur Bankenabwicklung und geht vor allem der Schlüsselfrage nach, wie die Verluste auf die Aktionäre und Gläubiger einer Bank verteilt werden können, und nicht dem Steuerzahler in Rechnung gestellt werden müssen. Der Ansatz, den diese Richtlinie verfolgt, ist ausgezeichnet, und daher stellt sie trotz ihrer Schwächen einen echten Fortschritt dar. Leider wurden im Laufe der Verhandlungen in Brüssel einige technische Maßnahmen, die unbedingt erforderlich sind, um die Steuerzahler unter allen Umständen wirksam zu schützen, wieder fallen gelassen.

Wie schwierig sich der Aufbau einer Bankenunion gestaltet, zeigt sich an den unterschiedlichen Bausteinen, aus der sie sich zusammensetzt:

  • Der Druck, den viele Staaten ausübten, um die Interessen ihrer nationalen Bankenindustrie zu schützen, führte dazu, dass der gefundene Kompromiss nicht ausreichen wird, damit nicht die Steuerzahler, sondern vielmehr die Gläubiger von Banken im Krisenfall einspringen müssen. Tatsächlich gibt es immer noch zahlreiche Szenarien, in denen eine Bankeninsolvenz die Beteiligung der öffentlichen Haushalte erforderlich machen würde.
  • Bei den Verhandlungen um den einheitlichen Abwicklungsmechanismus im Dezember 2013 bestanden einige Staaten darauf, allen voran Deutschland, einen Mechanismus einzuführen, bei dem sie das letzte Wort behielten. Wohlwissend (und das aus gutem Grund, denn schließlich sind sie die Urheber), dass auch die neuen Regeln zur Aufteilung der Verluste von Banken dazu führen könnten, dass die nationalen Steuerzahler wieder für Kosten aufkommen müssen. So überträgt der im Dezember gefundene Kompromiss zur Einrichtung eines Bankenabwicklungsmechanismus, und zwar im Gegensatz zum ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission, die Entscheidungsgewalt dem Rat.

Ein Bankenabwicklungsmechanismus sollte nicht in die Hände von Politikern gelegt werden, und erst recht nicht, wenn nationale Interessen im Spiel sind. Die Abwicklung von Banken ist eine schwierige Situation, eine Krisensituation, eine Situation, in der von allen Seiten erheblicher Druck ausgeübt wird. Und es ist unrealistisch, dass ein Politiker in sehr kurzer Zeit diese schwierigen technischen Fragen lösen und sich dabei dem Druck widersetzen kann. Leider führt der Kompromiss vom Dezember-Gipfel letzlich zu einem System, dass zu komplex ist und zudem in den Händen des Rates liegt, der sowohl politische als auch nationale Interessen vertritt. Man könnte eine Wette eingehen, dass dieses System nicht greifen würde, wenn es eines Tages eine große Bankenkrise zu meistern hat. Überlässt man zudem den nationalen Entscheidungsträgern das letzte Wort, ermutigt man die Banken nur noch mehr, Anleihen jenes Staates zu halten, von dem sie abhängig sind. Damit würde weder der Teufelskreis zwischen Banken und Staaten aufgebrochen, das oberste Ziel der Bankenunion, noch der Fragmentierung der europäischen Finanzmärkte, wie wir sie heute erleben, entgegengewirkt.

Ist das Glas halb voll oder halb leer?

Es ist halb voll, wenn wir bedenken, dass die Einigung über eine einheitliche Aufsicht oder die Abwicklungsrichtlinie, so unvollkommen sie auch sein mögen, ein echter Fortschritt sind. Und wir müssen auch anerkennen, welche Kräfte es diejenigen gekostet hat, die dieses Reformen in die Wege geleitet haben, allein die Hälfte des Glases zu füllen.

Es ist jedoch halb leer, wenn man die Schwächen des Auflösungsmechanismus betrachtet, die sich im Kompromiss vom Dezember verstecken, und vor allem wenn man bedenkt, dass bis zum heutigen Tag keine tiefgreifende Strukturreform der europäischen Banken vorgenommen wurde. Deren Größe, Komplexität und Verflechtung entziehen dem Auflösungsmechanismus jede Glaubwürdigkeit.

“Glaubwürdigkeit” ist das Schlüsselwort beim Thema Bankenabwicklung. Es reicht nicht aus, lediglich Verbesserungen am Abwicklungsmechanismus vorzunehmen. Solange die Frage nach der Struktur der Banken und ihrer Vernetzung untereinander nicht gelöst ist, wäre es unrealistisch zu glauben, dass die Bankenunion unsere Gesellschaften vor den Folgen einer nächsten großen Bankenkrise schützen könnte.

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