Was ist das Ziel der Agenda für “Bessere Rechtsetzung”?
Am 19. Mai 2015 stellte die EU-Kommission ein ganzes Maßnahmenpaket zur “Besseren Rechtsetzung” vor. Von Seiten der EU-Kommission hieß es: „Gegenstand der Agenda für bessere Rechtsetzung sollte nicht nur die Überprüfung der prioritären Politikbereiche der EU sein, wir sollten auch prüfen, wie wir sicherstellen können, dass unsere Gesetzgebungsverfahren hinsichtlich Folgenabschätzung, Transparenz, öffentlicher Konsultation und Durchführung weiter höchste Anforderungen erfüllen.”
In anderen Worten zielt die Initative darauf ab, Gesetzgebungsverfahren und -felder der Europäischen Union abzuändern.
Letztlich geht es darum, den Bürgern/innen in Europa gegenüber besser zu rechtfertigen, warum die EU in einigen Feldern gesetzgeberisch tätig wird und in anderen nicht, und die Gesetzgebungsverfahren insgesamt effizienter zu gestalten. Das erinnert ganz an die Worte des ehemaligen Kommissionspräsidenten Barroso: „Die EU sollte sich in großen Fragen stark engagieren und in kleineren Fragen zurückhalten”. Ähnlich sieht das auch der derzeitge erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, der für die „Bessere Rechtsetzung” zuständig ist.
Der EU-Kommission ist es wichtig klarzustellen, dass es nicht um Deregulierung per se geht, sondern darum Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Belastung der Industrie durch Regelungen zu senken.
Quantitive Ziele werden nicht genannt, im Gegensatz zum Vereinigten Königreich, wo beispielsweise die „Eins rein, zwei raus”-Regel gilt. Nichtdestotrotz wird es Folgen haben, wenn die EU-Kommission sich künftig nur noch unbedingt notwendigen Regelungen widmen will, oder solchen, die einen großen zusätzlichen Nutzen aufweisen: Im Arbeitsprogramm der EU-Kommission für das Jahr 2015 sind 23 neue Gesetzesinitiativen vorgesehen. Demgegenüber stehen 80 bereits vorgeschlagene Initiativen, die aus politischen Gründen entweder wieder zurückgezogen oder zumindest abgeändert werden sollen.
Das lässt erahnen, was mit der Agenda für „Bessere Regulierung” auf uns zukommt.
Was umfasst die Agenda für “Bessere Rechtsetzung” alles?
Das Paket zur “Besseren Rechtsetzung” enthält eine Reihe von Maßnahmen, hier die zentralen:
- Mitteilung “Bessere Ergebnisse dank besserer Rechtsetzung – Eine Agenda der EU“;
- Mitteilung “Vorschlag für eine Interinstitutionelle Vereinbarung über bessere Rechtsetzung”;
- Genereller Leitfaden und praktische Anleitung zur “Besseren Rechtsetzung”;
- REFIT-Programm (auf Englisch “Regulatory Fitness and Performance Programme”), dazu gehört ein Sachstandsbericht und der Beschluss über die Einrichtung einer REFIT-Plattform; sowie
- Beschluss über die Einrichtung eines unabhängigen Ausschusses für Regulierungskontrolle.
Wir können davon ausgehen, dass die politischen Entscheidungs- und Gesetzgebungsverfahren, wie wir sie kennen, mit diesem Paket in wesentlichen Punkten verändert werden. Alle neuen und bestehenden Rechtsvorschriften werden geprüft, bewertet und evaluiert, und zwar über die gesamte Laufzeit, angefangen vom Entwurfstadium eines Kommissionsvorschlag bis hin zu seiner Umsetzung.
Die Einschätzung von Finance Watch
Die Interinstitutionelle Vereinbarung beinhaltet einen Vereinbarungsentwurf über delegierte Rechtsakte, der dabei helfen sollen, eine Reihe von Schwierigkeiten mit delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten zu beheben. Dies ist begrüßenswert, genauso wie die Diskussionen über die Rückkehr zum normalen Gesetzgebungsverfahren mit Erster und Zweiter Lesung, das in den vergangenen Jahren kaum noch genutzt wurde.
Was uns mehr Sorgen bereitet, sind die zusätzlichen verpflichtenden Konsultationen für Maßnahmen, die auf der zweiten Stufe der Gesetzgebung beschlossen werden. Diese Entwicklung würde in erster Linie den privaten Interessensvertretern aus der Industrie nutzen. Außerdem würden sie höchst wahrscheinlich mehr Druck während der Ausarbeitung der Rechtsakte auf der Stufe 2 ausüben können.
Skeptisch sehen wir außerdem die Stärkung der Rolle von Folgenabschätzungen. Es ist schwer vorstellbar, dass das Gesetzgebungsverfahren aus Sicht der Gesellschaft verbessert wird, wenn für jede einzelne Änderung, die im Gesetzgebungsverfahren vorschlagen wird, eine Folgenabschätzung gemacht werden muss, da diese vor allem die Kostenbelastung für betroffene Unternehmen berücksichtigt. Weitere Details zu diesem Aspekt finden Sie in unserem Blogartikel „Vorsicht vor der Folgenabschätzung”.
Aus unserer Sicht sollten auch die Vorschläge im Rahmen des REFIT-Programms nochmals überdacht werden, insbesondere was die Überprüfung und Evaluierung bestehender Rechtsvorschriften angeht. Es könnte verpflichtend werden, bestehende Gesetze alle fünf Jahre zu überprüfen. Unserer Meinung nach sollten jedoch die Rolle und der Nutzen von Rechtsvorschriften für die Gesamtgesellschaft stärker berücksichtigt werden.