Tisch gedeckt für eine Bessere Rechtsetzung?
Als Frans Timmermans im Mai seine Agenda für eine „Bessere Rechtsetzung“vorstellte, verglich er sie mit einer Küchenrenovierung. Die Küchenausstattung sei für diejenigen, die die Mahlzeit zu sich nehmen, nicht so wichtig, sondern lediglich die Tatsache, ob das Essen am Ende schmeckt oder eben nicht, so denkt er. Denken wir diese Analogie einmal weiter: Wir wollen, dass das Essen nicht nur gut schmeckt, sondern dass ein jeder sich ein Mahl leisten kann und am Tisch einen Platz findet.
Wer ist Kellner, wer ist Koch?
Vize-Präsident Timmermans wiederholte mehrmals, dass sich in der Vergangenheit viele Betroffene über Bürokratie und Komplexität der EU-Vorschriften beschwert hätten. Eine der wichtigsten Interessengruppen bilden seiner Ansicht nach die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Wie auch in den Juncker‘s Plänen für mehr “Beschäftigung, Wachstum und Investitionen“ haben die KMU auch im Maßnahmenpaket für eine bessere Rechtsetzung das Privileg der obersten Priorität (die deutsche Übersetzung des zugrundeliegenden Prinzips „Think Small First“ lautet treffenderweise „Vorfahrt für KMU“). Die Zivilgesellschaft oder andere betroffene Interessensgruppen finden dagegen keine Erwähnung.
Eine der zentralen Reformen in Timmermans Maßnahmenpaket ist die Einrichtung eines ‚Ausschusses für Regulierungskontrolle‘, der aus drei Vertretern der EU-Kommission, drei ‚unabhängigen‘ Experten und einem Vorsitzenden besteht. Der Ausschuss soll neue Gesetzesvorhaben sowie bereits bestehende Gesetze überprüfen. SOLIDAR sieht bei diesem Prüfverfahren insbesondere die absehbare Isolierung des Rates und speziell des EU-Parlaments mit Besorgnis. Die Mitglieder des Ausschusses für Regulierungskontrolle werden nicht nur mitbestimmen, was in der Küche von Herrn Timmermans vorbereitet wird, sondern auch darüber entscheiden, wie die Mahlzeiten zubereitet werden.
Der (solvente) Kunde ist König
Vize-Präsident Timmermans hat darüber hinaus die Einrichtung einer Plattform angekündigt, bei der Interessenvertreter die Möglichkeit haben, aktiv am Konsultationsprozess im Rahmen der geplanten REFIT-Maßnahmen mitzuwirken, die eine Optimierung von EU-Vorschriften zum Ziel haben (auf Englisch “Regulatory Fitness and Performance Programme”). Wir betrachten das mit Besorgnis, da es den Einfluss von Lobbyisten der Privatwirtschaft weiter ausbauen wird.
In Timmermans’ Restaurant würden die zahlungskräftigsten Kunden nicht nur die besseren Tische bekommen, sondern auch mitbestimmen, was überhaupt auf der Karte steht. Ein europäisches Restaurant, das auf Inklusion setzt, sollte Gerichte anbieten, die für jedermann erschwinglich und bekömmlich sind.
Einige Restaurantkritiker liegen falsch
Sorge bereitet uns ebenfalls folgende Aussage des Vize-Präsidenten Timmermans: Er „sei nicht wütend über Euroskeptiker, aber über die Tatsache, dass diese in vielen Fällen richtig liegen“. Selbstkritik und der Wille zur Verbesserung der eigenen Arbeit sind immer willkommen, jedoch führt falsche Kritik kaum zur richtigen Politik. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie SOLIDAR üben konstruktive Kritik an der Arbeit der EU-Kommission, indem sie sich für ein inklusives Europa einsetzen, wohingegen die Euroskeptiker sich des Populismus bedienen, um Ängste zu schüren und die Bürger von der Idee der europäischen Integration abzubringen.
Für SOLIDAR bedeutet “Bessere Rechtsetzung” keinesfalls Deregulierung, sondern eine Verbesserung der Gesetzgebung hinsichtlich der Europäischen Verträge, unserer gemeinsamen Grundwerte und -rechte – und so würde sie tatsächlich positiv für jedermann sein.