The Blog Financial reform for EU citizen
Wer schreibt die Gesetze für den Finanzsektor? Wessen Interessen werden repräsentiert?
In Europa wird die Finanzregulierung in der Regel auf EU-Ebene bestimmt und dann über den EU-Gesetzgebungsprozess umgesetzt.
Allerdings werden eine Reihe regulatorischer Standards und Richtlinien von verschiedenen Finanzinstitutionen und -gremien auf internationaler Ebene festgesetzt. Unser weltweites Finanzsystem ist sehr komplex und gerade vor dem Hintergrund der vergangenen Finanzkrise hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, seine Stabilität zu gewährleisten. Im Laufe der Jahre haben die Regierungen sich zusammengetan und differenzierte institutionelle Strukturen entwickelt, um das System zu ordnen, dazu gehören eine Reihe internationaler normgebender Instanzen oder informelle Foren, die mit den internationalen Organisationen zusammenarbeiten.
Folgt dieser Prozess demokratischen Prinzipien? Und wie kann die Rechenschaftspflicht, Transparenz und die Einbindung der Bürger/innen auf internationaler Ebene verbessert werden?
In unserer Rolle als zivilgesellschaftliche “Gegenlobby” zur Finanzlobby verfolgen wir bei Finance Watch den EU-Gesetzgebungsprozess hautnah. Allerdings nehmen viele der EU-Vorschriften ihren Ursprung in internationalen Institutionen und Gremien, in die weder die Bürger/innen noch Finance Watch einen genauen Einblick haben. Der Wirtschafts- und Währungsausschuss (ECON) des EU-Parlaments hat darauf hingewiesen, dass wir mehr internationale Zusammenarbeit, Rechenschaftspflichten und Transparenz bei der Finanzregulierung brauchen: Am 23. September 2015 fand dort eine Debatte zum nichtlegislativen Berichtsentwurf zu den “Aufgaben der EU im Rahmen der internationalen Finanz-, Währungsund Regulierungsinstitutionen und -einrichtungen” von der französischen EU-Abgeordneten Sylvie Goulard (ALDE) statt.
Wie in diesem Bericht dargelegt wird, unterscheiden sich die vielen existierenden internationalen Finanzinstitutionen und -gremien teilweise sehr deutlich, was ihre Rechtsform, ihr Rechtssystem, ihre Organisationsstruktur und Zuständigkeiten angeht. Beim Internationalen Währungsfonds IWF oder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD handelt es sich um zwischenstaatliche Organisationen, die auf internationalen Verträgen beruhen, was bedeutet, dass es sich bei ihren Mitgliedern um Staaten handelt, die ihnen eine Rechtspersönlichkeit zuerkennen. Beim Finanzstabilitätsrat FSB, dem Basler Ausschuss für Bankenaufsicht BCBS oder auch der Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrie- und Schwellenländer G20 handelt es sich dagegen um informelle Foren ohne jegliche offizielle überstaatliche Befugnisse: Ihre Beschlüsse sind zwar nicht bindend, jedoch bleiben sie richtungsweisend für die Mitgliedstaaten, die sich zu ihrer Umsetzung selbst verpflichtet haben. Demgegenüber handelt es sich bei der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO, der internationalen Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden IAIS, der internationalen Vereinigung der Aufsicht über Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung IOPS sowie dem internationalen Gremium von Rechnungslegungsexperten IASB rechtlich gesehen um private Organisationen, die in ihrem jeweiligen Bereich einen öffentlichen Auftrag erfüllen.
Die Beziehungen, die diese Organe und Gremien untereinander und auch mit der Europäischen Union pflegen, sind hoch komplex, und selbst Insidern fällt es teilweise schwer, sich in dem Beziehungsgeflecht zurechtzufinden. Anhand dieses Diagramms können sie einen groben Überblick über die Verbindungen zwischen internationalen Finanzinstitutionen und -gremien gewinnen. (Bitte beachten Sie, dass der Überblick über die Mitgliedschaften nicht vollständig abgebildet ist.)
Der Berichtsentwurf des EU-Parlaments hebt die Fragmentierung und Diversität der Finanzinstitutionen und -gremien hervor und betont zugleich, dass sowohl in Bezug auf ihre jeweiligen Rollen als auch auf die internationale Regulierungszusammenarbeit insgesamt Klärungsbedarf besteht.
Darüber hinaus werden in dem Bericht weitere Initiativen von der EU-Kommission gefordert, um die Transparenz und Rechenschaftspflicht der internationalen Foren zu verbessern. Es liegen verschiedene Vorschläge auf dem Tisch, beispielsweise einen formalen Finanzdialog mit dem EU-Parlament einzurichten und einen EU-Verhaltenskodex zu aufzustellen. Diesbezüglich ist Finance Watch von der Notwendigkeit überzeugt, dass die EU-Vertreter in diesen verschiedenen Gremien gegenüber dem Europäischen Parlament Rechenschaft ablegen und dass der Standpunkt der EU gemeinsam in einem transparenten und demokratischen Prozess festgelegt wird. Es sollte außerdem sichergestellt werden, dass diese internationalen Organe und Gremien nicht nur mit Vertretern der Finanzindustrie, sondern auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft wie NGOs, Verbraucherschutzgruppen etc. im Austausch stehen. Mit einfachen Maßnahmen könnte man bereits viel erreichen, beispielsweise den öffentlichen Zugang zu Unterlagen zu ermöglichen und ein Transparenzregister einzuführen.
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