The Blog Financial reform for EU citizen
Tatsächlich geht es darum, ausländischen Investoren (egal ob Fonds, Unternehmen oder Bank) die Möglichkeit zu geben, einen Staat dafür verklagen zu können, dass er gesetzliche Regelungen eingeführt hat, die „mehr hinderlich als notwendig“ seien und die letztlich den Wert der Investition schmälern würden. Der Fall könnte vor ein privates Schiedsgericht gebracht werden, die berühmt-berüchtigten „Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren“ (auf Engl. Investor-to-State Dispute Settlement, kurz ISDS).
Das Prinzip, das hinter diesem Mechanismus steht, ist von Grund auf anti-demokratisch, insbesondere deswegen, weil privaten Investoren das Recht gegeben wird, gesetzliche Regelungen in Frage zu stellen, die von demokratischen Institutionen im Interesse der Bürger aufgestellt worden sind. So könnte es dazu kommen, dass ein Staat eine Strafe zahlen müsste, falls das private Schiedsgericht dem Investor Recht gibt. Die Höhe der Strafe könnte schnell bei meheren Milliarden Euro liegen, die dann vom Steuerzahler aufzubringen wären.
Auf die Ankündigung, dass es bei den TTIP-Verhandlungen auch um diesen Klagemechanismus gehen soll, folgte ein großer Widerstand von Seiten der Zivilgesellschaft, sowohl in Europa als auch in den USA. Gewerkschaften, Verbraucherschützer, NGO, Akademiker und viele mehr, darunter auch viele Mitglieder von Finance Watch, haben sich dafür eingesetzt, dass die Europäische Kommission eine öffentliche Konsultation startet. Leider wird im Rahmen dieser Konsultation nicht die eigentlich zentrale Frage gestellt, nämlich ob ISDS überhaupt notwendig sind. Stattdessen werden eine Reihe (sehr schwacher) Maßnahmen vorgeschlagen, um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Finance Watch hat in seinem Beitrag zur Konsulation eine Überarbeitung des Verhandlungsmandats durch die EU-Mitgliedstaaten sowie die vollständige Streichung der ISDS aus dem Freihandelsabkommen gefordert: Trotz einiger Vorschläge zur Beschränkung des Anwendungsbereichs der ISDS wären Klagen gegen Regelungen im Bereich des Finanzsektors weiterhin möglich.
Der der Finanzsektor ist bei weitem noch nicht wieder ausreichend reguliert und die Bürger sind nicht sicher vor einer neuen Finanzkrise. Doch wenn die Staaten, von denen einige unter der Finanzkrise enorm gelitten haben, möglichlicherweise sehr hohe Strafen befürchten müssen, werden sie ihre Arbeit zur strengeren Regulierung des Finanzsektors kaum weiter fortführen. In diesem Sinne geben die ISDS den Privatinvestoren ein unangemessenes und illegitimes Machtmittel an die Hand, und letztlich auch der Finanzlobby ein zusätzliches Instrument, um den Regulierungsprozess zu beeinflussen, auf indirektem Wege, aber höchst wirksam.
Nach den Informationen, die uns zur Verfügung stehen, hat die Europäische Kommission Tausende Konsultationsbeiträge von Bürgern erhalten, die insbesondere auf die Aufrufe von mehreren Organisationen in verschiedenen EU-Ländern zurückzuführen sind (z.B. http://www.no2isds.eu/). Nun warten wir auf den offiziellen Bericht der EU-Kommission, in der Hoffnung, dass durch den öffentlichen Druck das Mandat grundsätzlich in Frage gestellt und ISDS ausgeschlossen wird.
Die Konsultation ist noch eine Woche länger offen: Sie haben also noch bis zum Sonntag, dem 13. Juli 2014 Zeit, um der EU-Kommission Ihre Meinung mitzuteilen!
Wenn Sie mehr zur Finanzregulierung in TTIP wissen möchten, können Sie hier die Anhörung von Thierry Philipponnat im ECON-Ausschuss des EU-Parlaments ansehen oder sich auf der Website des Aktionsbündisses „TTIP unfairhandelbar“umschauen.
Update 13. Januar 2015:
Die Europäische Kommission hat einen Bericht zur ISDS-Konsultation veröffentlicht, in dem es heißt, dass die Konsultation auf eine “außergewöhnlich hohe Resonanz stieß”. Ingesamt hat die EU-Kommission 149.399 Online-Konsultationsbeiträge erhalten.
Ein großer Dank an alle, die mitgemacht haben!
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