Facebooks digitale Währung: endgültig eingefroren oder nur auf Eis?

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Weltweite Kontrollen durch Behörden und der erbitterte Widerstand von Organisationen aus der Zivilgesellschaft könnten dem Versuch von Facebook, ein eigenes globales Zahlungssystem zu schaffen, einen schweren Schlag versetzt haben. Mit dem Scheitern dieses Projekts sind die Ambitionen der Sponsoren zumindest vorläufig beendet. Aber Regulierungsbehörden und Bürger*innen können es sich nicht leisten, sich zurückzulehnen.

Anm.: Dieser Beitrag ist eine Übersetzung eines Beitrages, der ursprünglich in englischer Sprache auf der Webseite von Finance Watch erschienen ist.

Am 31. Januar gab die Diem Association – ein von Facebook geführtes Konsortium – den Verkauf der Kerntechnologie des Unternehmens an die Silvergate Capital Corporation, eine in Kalifornien ansässige Bank, für einen Gesamtkaufpreis von weniger als 200 Millionen US-Dollar bekannt. Aber da Tausende von Krypto-Assets im Umlauf sind und jeden Tag Dutzende weitere hinzu kommen, könnten trotz dem Scheitern des digitalen Währungsprojekts andere dem Beispiel von Facebook folgen.

Als Facebook im Juni 2019 zum ersten Mal sein neues Stablecoin-Projekt, damals noch unter dem Namen Libra bekannt, vorstellte, schien das weltweit größte Social-Media-Unternehmen einmal mehr dem ursprünglichen Motto seines Gründers zu folgen: „move fast and break things“. Die für 2020 geplante Einführung eines neuen digitalen Zahlungsmittels, das auf einem Korb der wichtigsten Weltwährungen basiert und von Facebook und einem Konsortium anderer großer internationaler Unternehmen verwaltet wird, hätte Regulierungsbehörden und die Öffentlichkeit überraschen können. Dieses Mal kam jedoch prompt eine Antwort.

Innerhalb weniger Tage nach der Ankündigung äußerten Regierungen und Zentralbanken in Europa, den Vereinigten Staaten und anderen großen Volkswirtschaften der Welt einstimmige und unmissverständliche Kritik. Finance Watch hat seine Analyse des Projekts veröffentlicht, „Zehn Gründe, warum Facebooks Libra eine schlechte Idee ist (auf Englisch)“, die zur Plattform für eine europaweite Kampagne der Zivilgesellschaft wurde. Unter der Federführung von Finance Watch, Finanzwende und WeMove Europe sammelte die Kampagne über 83.000 Unterschriften für eine Petition gegen Libra. Im Oktober 2019 haben mehrere potenzielle Mitglieder der Libra Association, darunter die beiden Kreditkartenunternehmen Visa und Mastercard, ihren Rückzug aus dem Projekt angekündigt. Von Anfang an hatte die globale Stablecoin von Facebook Schwierigkeiten, aus den Startlöchern zu kommen.

Alte Risiken in neuem Anstrich

Angesichts der großen Skepsis aus so vielen Lagern sahen sich die Sponsoren gezwungen, ihr Design zu überarbeiten, ihre Marke zu ändern und sich zunächst zurückzuziehen. Im April 2020 wurde das Konzept einer Multiwährungs-Stablecoin zugunsten einer Reihe von Einzelwährungen fallen gelassen. Im Dezember 2020 wurde das Projekt einem umfassenden Rebranding unterzogen. Der Name „Libra“, der vielleicht als angeschlagen galt, wurde zugunsten von „Diem“ verworfen, der Name der dazugehörigen digitalen Geldbörse von „Calibra“ in „Novi“ geändert. Die Gruppe von Unternehmen, die an der Verwaltung der Stablecoin beteiligt und als „Libra Association“ bekannt war, ist nun zu „Diem Association“ umbenannt. Im Mai 2021 gab der Verband schließlich bekannt, dass er sein Gesuch um eine Bewilligung für Zahlungsdienste bei der Schweizer Finanzmarktaufsicht FINMA aufgegeben hat und seine Tätigkeit in die USA verlagern wird.

Kurz darauf sandte Finanzwende die WeMove Europe Petition an die Präsidentin der Europäischen Kommission von der Leyen und die Präsidentin der Europäischen Zentralbank Lagarde, um sie daran zu erinnern, die Pläne von Facebook kritisch zu verfolgen. Wir danken allen Unterstützern von Finance Watch, die sich an der Kampagne beteiligt und zu ihrem Erfolg beigetragen haben.

Es ist nicht vorbei – bis es vorbei ist

Für diejenigen, die die Entwicklung der Saga verfolgt haben: Es ging weiter… Ende 2021 führte Meta, das Unternehmen, das früher unter dem Namen Facebook bekannt war, seine digitale Geldbörse Novi in einem kleinen Pilotprojekt in den Vereinigten Staaten und Guatemala ein. Die Wallet wird in Verbindung mit dem Stablecoin „Paxos“ (USDP) angeboten, der auf dem US-Dollar basiert, wobei Coinbase die Infrastruktur und die Verwahrungsdienste bereitstellt. USDP, früher bekannt als „Pax Dollar“, ist ein Produkt eines Drittanbieters – er wird weder von der Diem Association verwaltet noch ist er Teil der Diem-Blockchain. Selbst wenn dieses Pilotprojekt weit von den globalen Ambitionen der ursprünglichen Ankündigung entfernt zu sein scheint, könnte dies auch als Beweis für das Ausmaß des regulatorischen Drucks gesehen werden, den Meta erfahren hat – sogar in seinem Heimatland.

Die gestrige Ankündigung des Verkaufs der Kerntechnologie von Diem an Silvergate Capital kommt daher nicht völlig überraschend. Nach dem Scheitern seiner globalen Ambitionen könnte das Unternehmen zu dem Schluss gekommen sein, dass es an der Zeit war, seine Verluste zu begrenzen und sich von diesem umstrittenen und zunehmend angeschlagenen Projekt zurückzuziehen.

Trotz alledem wäre es unklug, daraus zu schließen, dass Diems Unternehmenssponsoren ihre Ambitionen gänzlich aufgegeben haben. Mit einer weltweiten Nutzerbasis von 2,9 Milliarden Menschen, von denen viele in Entwicklungsländern leben, ist die Verlockung für Meta/Facebook, ein eigenes globales Zahlungssystem – vielleicht zu gegebener Zeit sogar eine private globale Währung – zu schaffen, verständlicherweise groß. Wo Meta/Facebook begann, könnten andere weiter machen: Diem oder ähnliche Projekte könnten schon bald zurückkehren, vielleicht in einem anderen Gewand.

Politische Entscheidungsträger*innen und Zivilgesellschaft müssen wachsam bleiben

Für politische Entscheidungsträger*innen und die Zivilgesellschaft lassen sich aus der Libra/Diem-Saga wichtige Lehren ziehen: Eine übermäßige Konzentration wirtschaftlicher Macht muss vermieden, die persönlichen Daten der Nutzer*innen geschützt, die Sicherheit des Geldes der Bürger*innen und die Stabilität der Wirtschaft gewahrt werden. Wenn sie mit mächtigen Unternehmensinteressen konfrontiert werden, müssen Bürger*innen und Regulierungsbehörden schnell und entschlossen reagieren.

Die Regierungen und Zentralbanken der EU, der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs, Japans und anderer wichtiger Volkswirtschaften müssen standhaft bleiben und jedem Versuch widerstehen, ihre Währungen zu „privatisieren“. Das ist wichtig weil die nationalen Währungen kleinerer Länder am meisten gefährdet sind, von Libra ersetzt zu werden – aber kleine Länder sich weniger gut wehren können. Was Meta/Facebook, und andere, richtig erkannt haben, ist die große Nachfrage nach neuen digitalen Zahlungswegen: schneller, bequemer und kostengünstiger. Um diese Herausforderung zu meistern, müssen die Regierungen, Zentralbanken und Gesetzgeber*innen, verantwortlich für die wichtigsten Währungen der Welt, die Entwicklung ihrer eigenen digitalen Währungen beschleunigen. China ist bereits auf dem Vormarsch und nutzt die bevorstehenden Olympischen Winterspiele in Peking als Gelegenheit, seinen „digitalen Yuan“ bei einer weltweiten Nutzerbasis bekannt zu machen. Die politischen Entscheidungsträger*innen der Eurozone, die sich bisher nur verpflichtet haben, bis Ende 2023 zu „untersuchen“, ob ein digitaler Euro entwickelt werden sollte und wie er aussehen könnte, wären gut beraten, sich mehr ins Zeug zu legen. In der Zwischenzeit muss die Zivilgesellschaft wachsam bleiben.

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Verfasser*in

Christian Stiefmüller

Senior Advisor Recherche und Advocacy

Über den/die Verfasser*in

Christian berät Finance Watch zu Bankenregulierung, sowie FinTech, Finanzaufsicht und Pensionen. Mehr zu Christian

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