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EU-Bürger wollen klare Trennung von Bankaktivitäten

Banking separation
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Seit dem Ausbruch der Finanzkrise sind nunmehr fünf Jahre vergangen, und trotzdem dominieren weiterhin eine Handvoll Universalbanken das europäische Bankensystem. Sie sind dermaßen groß, dass ihr Zusammenbruch ganze Volkswirtschaften gefährden würde („too-big-to-fail“). Nur mit einer enormen Summe an Steuergeldern konnte dies bislang verhindert werden: Insgesamt EUR 1.600 Milliarden an staatlichen Beihilfen und Garantien haben die EU-Länder seit 2008 aufgewendet, und darin sind lange nicht alle negativen Folgen der Finanzkrise auf Wirtschaft und Gesellschaft einberechnet.

Nur wenn dem Too-big-to-fail ein Ende gesetzt wird, sind die EU-Bürger ausreichend vor künftigen Bankpleiten geschützt. Dazu sind tiefgreifende Strukturreformen nötig, insbesondere die Trennung elementarer Bankgeschäfte (Kreditvergabe, Einlagen und Zahlungsverkehr) von allen anderen Tätigkeiten.

Sie haben sich Gehör verschafft!

Auch die Europäische Kommission zeigt sich davon überzeugt, dass eine Strukturreform im europäischen Bankensektor beitragen würde zur “Schaffung eines stabilen und effizienten Bankensystems, das den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger der EU und der Wirtschaft entgegenkommt. Außerdem sollte es durch mehr Stabilität und bessere Nutzung der Ressourcen das Wirtschaftswachstum anregen und eine auf EU-Ebene koordinierte Verbesserung der Funktionsweise des Binnenmarkts darstellen.” (Link)

Aber wie soll diese Reform genau aussehen und welche Auswirkungen hat sie? Zu Beantwortung dieser Fragen berief die EU-Kommission eine Hochrangige Expertengruppe ein, die ihren Abschlussbericht im Oktober 2012 vorlegte.

Um Feedback zu den Empfehlungen des Berichts einzuholen, organisierte die Europäische Kommission im Juni 2013 eine öffentliche Konsultation. Finance Watch rief Bürger, Verbraucherverbände, NGOs, Gewerkschaften und andere dazu auf, sich an dieser Konsultation zu beteiligen, um ein Gegengewicht zu den zahlreichen Beiträgen aus dem Finanzsektor zu schaffen (vor allem von den großen Universalbanken, die alles dafür tun, um ihre implizite Staatsgarantie zu behalten).

Und Sie sind unserem Aufruf gefolgt! Die Kommission erhielt 540 Antworten, von denen die Mehrheit von Bürgern kam. In der offiziellen Zusammenfassung der Antworten heißt es: “Während die Zusammensetzung insgesamt recht klassisch ist, ragen die Anzahl der Antworten von Einzelpersonen (439 ) und Verbraucherverbänden (11) heraus. Die Mehrheit dieser 439 Antworten hat eine kürzlich von Finance Watch veröffentlichte Stellungnahme zur Konsultation entweder im genauen Wortlaut oder in einer gekürzten Fassung wiedergegeben.

Nochmals vielen Dank an alle, die mitgemacht haben! Wenn Sie einer von ihnen sind, können Sie Ihren Namen in dieser Liste finden.

Die Antworten zeigen, dass die Banken sich “zu einer überwältigenden Mehrheit gegen eine strukturelle Trennung” aussprachen, während Verbraucher und außerbankliche Finanzmarktakteure weitgehend dafür waren. Mehr dazu erfahren Sie in der Zusammenfassung der EU-Kommission.

Dieses Ergebnis zeigt deutlich, was die europäischen Bürger wollen: eine klare Trennung der Bankaktivitäten. Finance Watch wird die weiteren Entwicklungen genau verfolgen und jede Gelegenheit nutzen, um diese Reform im Interesse der EU-Bürger voranzutreiben.

Chronik der EU-Debatte

Februar 2012

EU-Kommissar Michel Barnier richtet eine Hochrangige Expertengruppe unter der Leitung von Erkki Liikanen ein, damit diese eingehend die Notwendigkeit struktureller Reformen des EU-Bankensektors prüft.

3. Mai bis 1. Juni 2012

Im Laufe ihrer Arbeit bittet die Expertengruppe die verschiedenen Interessengruppen, ihre Meinung zu einer möglichen Bankenstrukturreform im Rahmen einer Konsultation kundzutun. Die Expertengruppe erhielt 80 Antworten, darunter einen Beitrag von Finance Watch.

2. Oktober 2012

Die Expertengruppe empfiehlt in ihren Abschlussbericht an die Europäische Kommission insbesondere folgende fünf Maßnahmen:

  • Die Eigenhandelsgeschäfte der Banken und andere umfangreiche Handelsaktivitäten sollten ab einer bestimmten Schwelle abgetrennt und einer anderen rechtlich getrennten Einheit übertragen werden (wobei diese Einheit aber weiterhin innerhalb derselben Bankengruppe verbleiben kann);
  • Abwicklungsbehörden sollten eine weitergehende Trennung verlangen, wenn dies zur Erbringung grundlegender Dienstleistungen nötig ist;
  • Es sollte klarer definiert werden, welche Forderungen von Bankeigentümern/- gläubigern gekürzt werden können, um die Kapazitäten zur Verlustabsorption insgesamt zu erhöhen und Gläubigern größere Sicherheit zu verschaffen;
  • Risikogewichte sollten robuster sein; und
  • Verschiedene Reformen zur Unternehmensführung.

3. Oktober bis 13. November 2012

Die Kommission holte Rückmeldungen auf den Bericht der Expertengruppe ein. Finance Watch reichte seinen schriftlichen Beitrag ein.

17. Mai bis 11. Juli 2013

Im Anschluss startete die Europäische Kommission am 17. Mai 2013 eine neue Konsultation zu möglichen Strukturreformen im EU-Bankensektor. Finance Watch reichte seinen Beitrag gemeinsam mit einer großen Anzahl von Personen ein, die dem Aufruf von Finance Watch gefolgt sind.

24. Juni 2013

Das Europäische Parlament veröffentlichte einen Initiativbericht über die Reformierung der Struktur des EU-Bankensektors. Lesen Sie die Pressemitteilungvon Finance Watch vom 1. Juli 2013 zu dieser Abstimmung.

Bis zum Ende des Jahres 2013

Ein Legislativvorschlag steht noch aus…

Was bisher auf nationaler Ebene geschehen ist?

Inzwischen haben einige europäische Länder bereits nationale Bankenstrukturreformen durchgeführt, womit sie die Debatte auf EU-Ebene wohlmöglich schon vorwegnehmen.

Frankreich: In Frankreich gibt es bereits ein Gesetz über die Trennung und Regulierung der Bankaktivitäten (LOI n ° 2013-672 du 26 juillet 2013 de séparation et de régulation des activités bancaires , 26. Juli 2013). Wenn Sie wissen wollen, worin nach Ansicht von Finance Watch die Schwachstellen der Reform liegen, lesen Sie unsere Änderungensvorschläge zur französischen Bankenreform vom 29. Januar 2013.

Deutschland: Auch Deutschland hat bereits ein so genanntes Trennbankengesetz eingeführt, das dem französischen in weiten Teilen ähnelt. Wesentliche Punkte treten Ende Januar 2014 in Kraft (Gesetz zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen, 7. August 2013). Wenn Sie wissen wollen, worin nach Ansicht von Finance Watch die Schwachstellen der Reform bestehen, lesen Sie unsere Stellungnahme zur deutschen Bankenreformvom 22. April 2013.

UK: Am 4. Februar 2013 wurde der Gesetzesvorschlag „Financial Services ( Banking Reform) Bill“ im britschen Parlament eingebracht. Das Gesetz soll bis Ende dieses Parlaments (2015) in Kraft treten, und von den Banken wird erwartet, dass sie den neuen Anforderungen spätestens 2019 genügen. Finance Watch hat seinen Beitrag zur britischen Debatte am 14. Februar 2013 veröffentlicht. Um den aktuellen Stand zu erfahren, klicken Sie hier.

Belgien: Der belgische Finanzminister Koen Geens hat am 4. Oktober 2013 angekündigt, dass er bis Ende des Jahres einen Gesetzesvorschlag für eine Bankenreform unterbreitet. Weitere Informationen finden Sie im Abschlussbericht der Belgischen Nationalbank “Structural banking reforms in Belgium” (Juli 2013 ) sowie auf der Website der Kampagne www.Scinderlesbanques.be.

Niederlande: Die Kommission zur Struktur der niederländischen Banken unter dem Vorsitz von Herman Wijffels (Mitglied der Hochrangigen Expertengruppe) veröffentlichte im Juni 2013 ihren Bericht “Towards a serviceable and stable banking system”, der Empfehlungen zur Zweckdienlichkeit und Stabilität des niederländischen Bankensektors sowie zu möglichen Strukturreformen enthält. Hier finden Sie eine offizielle Zusammenfassung des niederländischen Berichts.

Charlotte Geiger

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