Die erste Frage, die sich stellt: Warum besteht neuerdings so ein großes Interesse an neuen Währungsmodellen? Oder anders gefragt: Warum glauben Menschen, dass auf diesem Wege die Finanzwelt eine bessere würde? Wie bereits im vorigen Artikel beschrieben, hält eine wachsende Zahl von Fachleuten unser Geldsystem für problematisch. Insbesondere die Geldschöpfung durch Kreditvergabe hat wesentlich zu einem explosionsartigen Anstieg öffentlicher und privater Verschuldung beigetragen.
Eine Mischung aus Ideologie und Pragmatismus
Zudem hat die Krise Misstrauen gegenüber Regierungen und Finanzinstitutionen geweckt. So schürten beispielsweise unkonventionelle Entscheidungen von Zentralbankern Angst vor „Entwertung”, dem Wertverlust von Papiergeld, und zwar insbesondere in den Vereinigten Staaten.
Dieser Vertrauensverlust geht einher mit einem ideologischen Aspekt. Die Verwendung alternativer Währungen kommt einer Art Rebellion gegen das bestehende System gleich. US-Amerikanische “Antiföderalisten” (d.h. Gegner des föderalen Systems in den USA, die mehr Unabhängigkeit für die einzelnen Bundesstaaten fordern) bedienen sich der Bitcoins, um ihrer kritischen Haltung gegenüber den Entscheidungen der Zentralbank Ausdruck zu verleihen, wohingegen lokale Währungen sich eher dazu eignen, gegen die Sparpolitik zu protestieren. Es hat etwas Umstürzlerisches an sich, dem offiziellen Geldsystem den Rücken zu kehren. Alternative Währungen zu benutzen ist in etwa das Gleiche wie heutzutage ohne Handy zu leben.
Solche Überlegungen haben sicherlich bei den Pionieren und ersten Nutzer dieser Währungen eine Rolle gespielt, doch vermögen sie kaum den Erfolg in der breiten Öffentlichkeit zu erklären. Dafür muss es pragmatischere Gründe geben.
Einige alternative Währungen lassen sich auch zur Steuervermeidung nutzen, da Steuerbehörden bislang noch keinen Weg gefunden haben, Transaktionen auf Basis dieser Währungen kontrollieren zu können. Natürlich zog das auch Kriminelle an. Bitcoins erlangten große mediale Aufmerksamkeit, nachdem das FBI im Oktober 2013 die Beschlagnahmung der Internetseite Silk Road bekannt gab, auf der ein virtuelles Zahlungssystem zum Verkauf illegaler Drogen genutzt wurde. Dessen Nachfolger Silk Road 2.0 hingegen schenkten die Medien weniger Aufmerksamkeit, und das ungeachtet eindrucksvoller Ergebnisse. Dem FBI zufolge „erwirtschaftete Silk Road 2.0 seit September 2014 monatlich mindestens $8 Millionen und hatte ungefähr 150.000 aktive Nutzer.“ Wie der Vorgänger „nutzte es ausschließlich das „Tor“-Netzwerk [eine Art verstecktes Internet] und verlangte, dass alle Überweisungen mit Bitcoin getätigt wurden, um die Anonymität der Nutzer zu wahren und die Aufdeckung durch Behörden zu vermeiden“.
Jedoch sind die USA nicht das Land mit den meisten Bitcoin-Nutzern, sondern China. Eine Erklärung für diesen Erfolg könnte in der Möglichkeit liegen, auf diesem Wege Beschränkungen des Kapitalverkehrs zu umgehen.
Schließlich besteht bei digitalen Währungen auch ein gewisses Spekulationsrisiko: Viele der ersten Nutzer des Bitcoinsystems verdienten Millionen, als der Wert von Bitcoin 2013 durch die Decke schoss.
Missbrauch zu vermeiden ist eine der größten Herausforderungen für Befürworter alternativer Währungen. Allerdings sollte das Risiko, dass daraus kriminelle Aktivitäten erwachsen, kein Hindernis für Innovation darstellen. In der Tat erweisen sich halbseidene und illegale Geschäfte wie Pornografie und Drogenhandel oft als besonders innovativ, weil sie von Natur aus schneller agieren müssen als legale Geschäftsaktivitäten und Behörden. Die Tatsache, dass sich Kriminelle einer bestimmten Zahlungsmethode bedienen, scheint eher vom ersten Schritt in Richtung Marktreife zu zeugen, als davon, dass die letzten Tage der Technologie gezählt sind.
Wie innovativ sind virtuelle Währungen?
Über das Bitcoin-Phänomen hinausgehend gestaltet sich eine allgemeine Definition virtueller Währungen als schwierig. Seit 1971 und dem Zusammenbruch des Bretton-Wood-Systems ist Geld nicht mehr jederzeit in Gold oder andere Sachwerte umtauschbar (man spricht auch von Konvertibilität). In England beispielsweise findet sich auf der 10-Pfund-Note traditionell ein vom Gouverneur der Zentralbank Großbritanniens, der Bank of England (BoE), unterzeichneter Satz: „Ich verspreche dem Besitzer auf sein Verlangen hin die Summe von £10 zu zahlen“. Das liest sich wie ein Zirkelschluss, denn Banknoten können nur gegen Banknoten desselben Nominalwerts getauscht werden (Jackson & Dyson, 2012). In modernen Wirtschaftssystemen ist Geld schließlich immer virtuell oder zumindest nur in sehr geringem Maße und nur indirekt durch Vermögenswerte gedeckt. Teilweise sind diese nur durch abstrakte Konzepte gedeckt wie der ‚Kapazität eines Staates Steuern zu erheben‘.
Genau genommen handelt es sich aber gar nicht um ein modernes Phänomen. Entgegen eines weit verbreiteten Missverständnisses verwandelten sich Münzen nicht in Folge der Erfindung von Computern in elektronisches Geld. „Virtuelles Geld ist an sich nichts Neues. Vielmehr handelt es sich um die originäre Form von Geld. […] Geschichtlich gesehen scheinen wir hin und her zu schwanken zwischen „Bullion“-Perioden, in denen Gold und Silber für bare Münze genommen werden, und jenen Perioden, in denen Geld als etwas Abstraktes begriffen wird, d.h. als eine virtuelle Rechnungseinheit.“ (Graber, 2014). Aktuell befinden wir uns eindeutig in der Letzteren: 97% unseres Geldvolumens ist elektronischer Herkunft. Um es noch klarer auszudrücken, könnte man sagen, „dass das Finanzsystem bereits nichts anderes ist als eine Anhäufung digitaler Datensätze“ (Ali et al., 2014a).
Schuld an der Verwirrung trägt zumindest in Teilen auch das Wort “virtuell”. In der Tat kann es drei verschiedene Dinge bezeichnen: Geld, das nicht vollständig durch Sachwerte gedeckt ist, elektronisches Bargeld, das wir täglich bei der Kreditkartenzahlung ausgeben, und Internet-basierte Währungen wie Bitcoins. Im vorliegenden Artikel beziehen wir uns bei virtuellen Währungen ausschließlich auf eben solche Internet-basierte Währungen. Daraus ergibt sich die Frage: Was genau unterscheidet solche virtuellen Währungen von, sagen wir mal, elektronischem Bargeld?
Eine revolutionäre Zahlungstechnologie
Der Bitcoin-Begründer Satoshi Nakamoto hat versucht eine Lösung für das Problem zu finden, das seiner Ansicht nach im Herzen der digitalen Wirtschaft steht: „Internethandel ist fast gänzlich von Finanzinstitutionen abhängig, die als zuverlässige Dritte den elektronischen Zahlungsverkehr abwickeln“ (Nakamoto, 2008). Sinn und Zweck von Bitcoins ist demnach, jene Dritten auszuschalten und ein echtes Peer-to-Peer-Zahlungssystem (d.h. ein System, bei dem die Parteien direkt ohne Vermittler in Kontakt treten) bereitzustellen. Nakamoto äußert sich nicht zu wirtschafts- oder geldtheoretischen Fragen. Er vertraut einzig auf seine geniale mathematische Intuition, indem er die horizontale Struktur des Internets auf das Zahlungssystem überträgt. Sein Projekt ist ideologisch motiviert, nicht wirtschaftlich: Es geht ihm um die Beendigung der Abhängigkeit von zentralisierten Institutionen und Regierungen, und zwar mithilfe von Technologie. Öffentliche Güter wie die Schaffung von Regeln und Vorschriften sollten demnach in ein Netzwerk integriert und durch das selbige verbreitet werden.
Ein grundlegendes Problem von Zahlungssystemen ist es, dass Werte eventuell zweimal ausgegeben werden. Wie kann man das verhindern? Im traditionellen Bankensystem wird der Zahlungsverkehr durch regulierte und vertrauenswürdige Einrichtungen abgewickelt: die Banken. Kunden vertrauen darauf, dass ihre Banken Zahlungsaufträge ordnungsgemäß abwickeln. Folglich ist Vertrauen in ihre Gegenpartei gar nicht vonnöten. Was jedoch passiert, wenn kein Vertrauen mehr in Banken besteht oder wenn man will, dass sie Zugang zu allen persönlichen Daten haben? Dann braucht man in der Tat eine Technologie, die es ermöglicht, Informationen im gesamten Netzwerk zu verbreiten, sodass jeder alles überprüfen kann. Dazu wiederum braucht man einen Prüfprozess, der automatisch abläuft und sicher ist.
Genau das bietet Bitcoin bzw. verspricht es. Für die BoE ist „die zentrale Neuerung durch digitale Währungen das ‚dezentralisierte Konto‘, mit dessen Hilfe das Zahlungssystem völlig dezentralisiert funktionieren kann, ohne Zwischenhändler wie Banken […]. In Zukunft könnte es sogar möglich sein, zumindest in der Theorie, dass die bestehende Infrastruktur unseres Finanzsystems Stück für Stück durch eine Vielzahl unterschiedlicher Vertriebsnetze ersetzt wird” (Ali et al., 2014a). Dem zugrunde liegt die zentrale Annahme, dass einige Aspekte, für die Bitcoin bekannt geworden ist, weniger wichtig sind: die begrenzte Geldversorgung, die Art und Weise, wie Miners* neue Bitcoins überprüfen, bevor sie in Umlauf gelangen, das spekulative Element… All diese Parameter können auch anders festgelegt werden, und tatsächlich gibt es eine Vielzahl konkurrierender Online-Währungen, die von Bitcoin inspiriert wurden. Die eigentliche Neuerung ist allerdings der konzeptuelle Vorsprung gegenüber traditionellen Zahlungssystemen. Und der ist nicht nur eine Modeerscheinung.
Die Reaktionen von Seiten der Gesetzgeber
Die Gesetzgeber haben unterschiedlich auf die Entwicklung von Bitcoin reagiert. In Großbritannien interessierte sich die BoE insbesondere für Fragen des Verbraucherschutzes. Ob sich die Entwicklung negativ auf die Finanzstabilität auswirken könnte, darüber macht man sich noch keine Gedanken, denn aktuell besitzen „im Vereinigten Königreich etwa 20.000 Personen nenneswerte Summen in Bitcoin [und] es finden gerade mal 300 Transaktionen täglich statt“ (Ali et al., 2014b). Zu wenig für die Gesetzgeber, um sich Sorgen zu machen. Doch die BoE beschäftigt sich in ihrer Analyse bereits mit weiterführenden Fragen: Ist es möglich, dass Bitcoin sich weiter verbreitet und sich zu einem zentralen Zahlungssystem entwickelt? Interessanterweise stehen die technischen Finessen des Systems und insbesondere die wachsenden Kosten für das Mining* „einer großen Weiterverbreitung massiv im Wege“ (Ali et al., 2014b). Jedoch glaubt die Zentralbank, dass solche Hindernisse durch minimale strukturelle Veränderungen überwunden werden könnten. Entgegen der Vorstellungen des Gründers Nakamoto könnte Bitcoin möglicherweise an einer massenhaften Verbreitung scheitern, jedoch wird es für immer als Pionier bekannt bleiben, der für seine Nachfolger den Weg geebnet hat.
In anderen europäischen Ländern legten die Finanzaufsichtsbehörden insgesamt mehr Strenge an den Tag, in Hinblick auf die „Gefahren, die vom Bitcoin-System ausgehen“ (Banque de France, 2013). Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) merkte an, dass es extrem schwierig wäre, in Schnelle einen geeigneten gesetzlichen Rahmen für Bitcoin zu schaffen. Daher empfahl sie den nationalen Behörden, Finanzinstitutionen davon abzubringen, dass diese selbst virtuelle Währungen halten, um „die regulierten Finanzdienstleistungen gegenüber [virtuellen Währungs-] Systemen abzuschirmen“ (EBA, 2014).
In China sind Bitcoin-Transaktionen für Finanzinstitutionen ganz und gar verboten. Für Privatpersonen haben jedoch bis heute nur eine Handvoll Länder ein Bitcoin-Verbot ausgesprochen (siehe Tabelle zu gesetzgeberischen Maßnahmen auf Wikipedia – nicht verifiziert).
Das Bitcoin-Netzwerk, bestehend aus Stiftungen, Unternehmen, Handelsplattformen, Lobbyisten und Freiwilligen, ist bereits sehr gut aufgestellt und vorbereitet, um mögliche Gesetzesinitiativen zu bekämpfen, die für ihre Leidenschaft bzw. ihr Geschäft hinderlich werden könnten.
Lokale Währungen als Antwort auf die Globalisierung
Im Gegensatz zu virtuellen Währungen, bei denen die Abhängigkeit von gegenseitigem Vertrauen innerhalb des Netzwerkes verringert wird, bauen lokale Währungen gerade auf zwischenmenschliche Beziehungen und eine Identifizierung mit lokalen Interessen.
Einige lokale Währungen lassen sich am besten mit dem Begriff Gutschein umschreiben, da sie von Vereinigungen ausgegeben werden und nicht überall akzeptiert werden. Sie können nur in der lokalen Wirtschaft genutzt werden. Damit kann verhindert werden, dass lokaler Besitz in die Hände größerer und auswärtiger Akteure gerät. Im Allgemeinen soll auf diesem Wege Armut bekämpft und das „soziale Gefüge“ wieder gestärkt werden.
Der aktuelle Vordenker für lokale Währungssysteme ist Bernard Lietaer, ein belgischer Ökonom. Er ist davon überzeugt, dass das internationale Geldsystem für lokale Gemeinschaften nicht förderlich ist. Daher empfiehlt er komplementär dazu die Schaffung kleinerer Handelssysteme, die ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Solidarität garantieren (Kennedy, Lietaer & Rogers, 2012).
Genau das passierte in der griechischen Kleinstadt Volos mit dem TEM-System. Wie die New York Times berichtete, handelt es sich bei TEM um ein hybrides System, „teils alternative Währung, teils Tauschhandel, teils Freiluftmarkt“. Die Einführung einer lokalen Währungerlaubte es, die Bürger in ein System des Warenaustauschs einzubeziehen. Schließlich sind lokale Währungen nicht nur ein rein wirtschaftliches Instrument; vielmehr geht es auch darum, Gemeinschaften neues Leben einzuhauchen.
Wertverlust, Schaffung von Reichtum
Um das Jahr 1890 herum entwickelte der deutsche Ökonom Silvio Gesell seine Freiwirtschaftslehre basierend auf Freigeld, um periodische und systemische Entwertungen zu beschreiben. Das Konzept des Freigelds sieht eine Art Strafgebühr für die Hortung von Geld vor. In einigen Fällen wird dieses Konzept auch in lokale Währungssysteme integriert, sodass es im Laufe der Zeit automatisch zu einem Wertverlust kommt. Die Menschen haben somit einen Anreiz, ihr Geld so schnell wie möglich auszugeben, was wiederum die Wirtschaft ankurbelt. Das entspricht ganz der Keynesianischen Vorstellung von einer Welt, in der die Menschen das Geld ausgeben und im Umlauf lassen, anstatt es zu horten.
Wörgl ist eine kleine Stadt in Österreich. In den 1930er Jahren wurde sie bekannt für das „Wörgl Wunder“. Um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, führte der Bürgermeister eine neue lokale Währung mit einem monatlichen Wertverlust von einem Prozent ein. Das Experiment funktionierte bestens. Allerdings nahm es nach 14 Monaten ein abruptes Ende, als die österreichische Zentralbank es als illegales System deklarierte und sein Ende erzwang (Bundesbank, 2013).
„Demurrage“ ist häufig, jedoch nicht in allen lokalen Währungssystemen übernommen worden. In der Tat ist es so, dass viele lokale Währungen eine recht simple Funktionsweise haben: Man kauft sie im Tausch gegen die offizielle Währung zu einem fixen Wechselkurs und kann sie in umgekehrter Richtung nicht wieder zurücktauschen, oder wenn doch, dann nur gegen Aufschlag. Abgesehen von diesem einfachen Grundprinzip können unendlich viele weitere Sonderregelungen eingeführt werden, so wie es auch bei virtuellen Währungen der Fall ist, um bestimmte Ziele zu erreichen. Im französischen Baskenland müssen Geschäfte, die am Eusko-Experiment teilnehmen möchten, auch bestimmte Sozial- und Umweltstandards erfüllen.
Lokale Währungen und Geld
Wie bereits in Bezug auf virtuelle Währungen hat sich die BoE im Reigen der Aufsichtsbehörden auch hervorgetan durch ihren konstruktiven Ansatz gegenüber lokalen Währungen. Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass die BoE prinzipiell solchen Fragen gegenüber aufgeschlossener ist als andere vergleichbare Institutionen, da sie sowohl in Schottland als auch Nordirland nicht das Monopol der Banknotenausgabe innehat. Sieben private Finanzinstitutionen dürfen dort Banknoten ausgeben. Eine gesetzliche Garantie für Geldscheinbesitzer, dass sie ihre Banknoten zum Nennwert auch wieder zurücktauschen können, gibt es erst seit 2009.
Daher ist die BoE auch offener gegenüber alternativen Geldkonzepten. In der Theorie lehnt sie eine rein rechtliche Definition ab, wonach Geld ein universelles, von der Zentralbank garantiertes Zahlungsinstrument ist: „Ob ein Zahlungsmittel gesetzlichen Status hat oder nicht, hat letztlich nur wenig Auswirkungen in der Praxis, da allein das gegenseitige Übereinkommen zwischen den bei der Transaktion beteiligten Parteien darüber entscheidet, ob ein Instrument als Zahlungsmittel fungiert oder nicht.“ Sehr pragmatisch erkennt die BoE auch die Existenz „vieler anderer physischer Tauschmittel, die bei Transaktionsgeschäften genutzt werden können, wie zum Beispiel Gutscheine im Einzelhandel“ (Naqvi & Southgate, 2013) an. So gesehen sind lokale Währungen auch nur eine Möglichkeit unter vielen.
In Großbritannien ist das Bristol Pound, mit einem Äquivalent von £250,000 im Umlauf, zweifelslos der Vorreiter unter den lokalen Währungen (Naqvi & Southgate, 2013). Seine Fürsprecher zeichnen von ihm das Bild einer kulturellen und wirtschaftlichen Waffe im Kampf gegen die Standardisierung unserer Lebensweisen im Zuge der Globalisierung. Auf ihrer Internetseite erklären sie, dass sie „nicht wollen, dass Bristol zu einer weiteren Klonstadt wird. In diesem Sinne unterstützt das Bristol Pound unabhängige Unternehmer, indem man dazu angehalten wird, vor Ort einzukaufen. Damit werden auch neue Geschäftsbeziehungen geknüpft, denn durch die Entscheidung für das Bristol Pound werden auch die Unternehmen vor Ort mehr Geld ausgeben.
Mehr Solidarität, aber zu welchem Preis?
Grün, lokal und nachhaltig: kurz gesagt, lokale Währungen sind gerade angesagt. Nicht nur in Deutschland, sondern europaweit blühen sie auf: in Griechenland, in Frankreich und im Vereinigten Königreich, wo sie vereinzelt auch die Form von LETS(Abkürzung für ‚Local Exchange Trading Systems‘, zu Dt. etwa Tauschkreise) annehmen. Erst Anfang dieses Monats eröffnete das von der EU geförderte Projekt „Community Currencies in Action“ (CCIA) ein Informationsportal zu komplementären Währungen, auf dem sowohl die unterschiedlichen Zielsetzungen, z.B. KMU-Liquidität, soziale Inklusion oder Abfallvermeidung, als auch die Ausgabemodalitäten, währungspolitische und weitere Aspekte vorgestellt werden. Aber inwieweit sind lokale Währungen der lokalen Wirtschaft wirklich zuträglich?
Im Jahr 2006 behauptete ein Ökonom der Bundesbank, dass „theoretischen Annahmen des Schwundgeldkonzepts hochgradig defizitär sind“ (Rösl, 2006). Zu jener Zeit gab es in Deutschland bereits 16 lokale bzw. regionale Währungen, allerdings summierten sie sich insgesamt auf gerade einmal etwa € 200,000. Hat die Bundesbank seit der Finanzkrise ihre Meinung revidiert? Keineswegs: „Regionale Währungen unterstützen nicht die heimische Wirtschaft, sondern verursachen Kosten.“ (Bundesbank, 2013). Zudem steht der Vorwurf der Hilfe zur Steuerumgehung im Raum.
Lokale Währungen zwingen ihre Nutzer ganz absichtlich dazu, örtliche Produkte zu erwerben, was der Konkurrenz abträglich ist. „Mit der regionalen Abschottung durch lokale Währungen entscheiden sich Verbraucher und Unternehmen bewusst gegen eine überregionale, effiziente Arbeitsteilung. Die Waren und Dienste des täglichen Bedarfs liefert hier nämlich nicht der Fabrikant mit den besten Produktionsbedingungen, sondern stets der Nachbar.“ (Bundesbank, 2013).
Dagegen ließe sich wie die BoE argumentieren, dass hier genau die Logik des Systems liegt: lieber dem Nachbarn helfen, als immer nur das billigste Produkt zu wollen. „Durch die Teilnahme von lokalen Geschäften und Kunden könnte auch der ökologische Fußabdruck verkleinert und die Bekenntnis zur Unterstützung der lokalen Gemeinschaft kundgetan werden.“ (Naqvi & Southgate, 2013). So gesehen könnten lokale Währungen auf fruchtbare Weise Solidarität auf kommunaler Ebene fördern, allerdings ist ihre begrenzte wirtschaftliche Effizienz ein Hindernis auf dem Weg, eine echte Alternative zu offiziellen Währungen zu werden. Der Bürgermeister von Volos bringt dies im Guardian zum Ausdruck, wenn er sagt: „Es wird niemals den Euro ersetzen, aber es hilft den schwächeren Mitgliedern unserer Gesellschaft sehr.“
Lokale und virtuelle Währungen sind beide als Folge der Globalisierung zu sehen, sie entwickeln sich jenseits staatlicher Kontrolle, sowohl auf lokaler Ebene als auch dank der Verbreitungskraft des Internets. Dahinter steht eine radikal andere Weltsicht, bei der Vertrauen nicht nur Produkt eines pyramidenförmigen institutionalisierten Systems ist, sondern auf horizontale Beziehungen aufbaut. Zum jetzigen Zeitpunkt sieht es nicht so aus, also ob diese Innovationen die Finanzwelt von Grund auf verändern mögen, jedoch sind sie eindeutig zukunftsweisend.
Fabien Hassan
Literatur
* “Mining ist ein Prozess, bei dem Rechenenleistung zur Verfügung gestellt wird, um Transaktionen zu verarbeiten, das Netzwerk zu sichern und jeden im System miteinander synchron zu halten. Man kann es als das Bitcoin-Rechenzentrum betrachten, mit der Abweichung, dass es so entwickelt wurde, dass es komplett dezentralisiert ist, mit Minern in allen möglichen Ländern, und keine Einzelperson Kontrolle über das Netzwerk hat. Dieser Prozess wird in Analogie zum Goldschürfen “Mining” genannt, weil es außerdem ein temporärer Mechanismus ist, um neue Bitcoins zu erzeugen. Anders als beim Goldschürfen gibt es beim Bitcoin-Mining eine Belohnung für nützliche Dienste, die benötigt werden, um ein sicheres Bezahlsystem zu betreiben. Mining wird auch noch benötigt werden, wenn der letzte Bitcoin erzeugt wurde.” (weitere Informationen unter https://bitcoin.org/de/faq#was-ist-bitcoin-mining).
Digitale Währungen
- Ali, R., Barrdear, J., Clews, R., & Southgate, J. (2014a). Innovations in payment technologies and the emergence of digital currencies. Bank of England Quarterly Bulletin, Q3. [auf Englisch]
- Ali, R., Barrdear, J., Clews, R., & Southgate, J. (2014b). The economics of digital currencies. Bank of England Quarterly Bulletin, Q3. [auf Englisch]
- Banque de France (2013). Focus n°10 – Les dangers liés au développement des monnaies virtuelles : l’exemple du bitcoin, Paris. [auf Französisch]
- Brito, J., & Castillo, A. (2013). Bitcoin. A Primer for Policymakers, Mercatus Center, George Mason University. [auf Englisch]
- European Central Bank, ECB (2012). Virtual currency schemes, Frankfurt. [auf Englisch]
- European Banking Authority, EBA (2014). Opinion on ‘virtual currencies’, EBA/Op/2014/08. [auf Englisch]
- Graeber, D. (2011). Debt: The first 5,000 years. Melville House. [auf Englisch]
- Jackson, A., & Dyson, B. (2012). Modernising Money: Why Our Monetary System Is Broken and How It Can Be Fixed. Positive Money. [auf Englisch]
- Nakamoto, S. (2008). Bitcoin: A peer-to-peer electronic cash system. Consulted, 1(2012), 28. [auf Englisch]
Lokale Währungen
- Der neue Boom der Ergänzungswährungen, FutureMag, Ausstrahlung auf Arte am 11. Oktober 2014. [auf Deutsch]
- Deutsche Bundesbank (2013). “Teuer und männlich: Regionalwährungen in Deutschland”.
- Kennedy, M., Lietaer, B. A., & Rogers, J. (2012). People Money: The Promise of Regional Currencies. Triarchy Press Limited. [auf Englisch]
- Naqvi, M., & Southgate, J. (2013). Banknotes, local currencies and central bank objectives. Bank of England Quarterly Bulletin, 53(4), 317-325. [auf Englisch]
- Rösl, G. (2006). “Regionalwährungen in Deutschland – Lokale Konkurrenz für den Euro?”, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main.