Bankenkrise: Stärkere internationale Bankenregeln benötigt

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Es ist wieder einmal so weit. In der jüngsten Bankenkrise werden erneut öffentliche Gelder eingesetzt, um die Flammen der Bankenpleite zu löschen. Es ist offensichtlich, dass die seit 2008 eingeführten internationalen Regeln nicht ausreichend waren, um ein stabiles Bankensystem zu schaffen, und dass das „moral hazard“ Prinzip („moralisches Risiko“) im Bankwesen weiterhin vorherrschend ist.

Anm.: Dieser Beitrag ist die Übersetzung eines Beitrags, der ursprünglich in englischer Sprache auf der Webseite von Finance Watch erschienen ist.

Die Bankenpleiten der jüngsten Bankenkrise sollten uns aufhorchen lassen. Die Finanzbehörden müssen die internationalen Bankenaufsichts- und -abwicklungsregeln ordnungsgemäß umsetzen und stärken.

Nachdem trotz umfangreicher Nothilfen der Zentralbanken weltweit innerhalb nur einer Woche drei Banken zusammengebrochen waren, schwindet das Vertrauen in die Banken auf allen Finanzmärkten erneut. Warum passiert eine neue Bankenkrise gerade jetzt? Und wie ist das überhaupt möglich, wo doch so viel getan wurde, um die Banken nach der Krise von 2008 zu stärken?

Ohne Vertrauen keine Bank

Banken sind nicht darauf ausgelegt und nicht in der Lage, alle Einlagen ihrer Kunden auf einmal zurückzuzahlen. Sobald die Kunden das Vertrauen in die Sicherheit ihrer Einlagen verlieren, beginnt der Ansturm auf die Bank und die Bank bricht zusammen. Dies ist genau das, was wir in den letzten Tagen erlebt haben.

Die Kunden der Silicon Valley Bank standen Schlange, um ihre Einlagen einzufordern, während die täglichen Einlagenabflüsse bei der in Schwierigkeiten geratenen Credit Suisse den Betrag von 10 Milliarden CHF überstiegen. Obwohl die Fälle ansonsten nicht vergleichbar sind, spielten sich diese ähnlichen Situationen im Abstand von wenigen Tagen ab. Einen gemeinsamen Nenner gibt es doch bei der Silicon Valley Bank und bei Credit Suisse: Wo kein Vertrauen mehr da ist, ganz gleich, aus welchen Gründen, gibt es keine Bank mehr.

Vom Standpunkt des Systems aus betrachtet, ist die wesentliche Frage nicht warum die Silicon Valley Bank töricht genug war, das Zinsrisiko der Anleihen im Portfolio, die als „zur Veräußerung verfügbar“ klassifiziert wurden, nicht abzusichern (Absicherung kostet Geld); noch ist die Frage, warum die Credit Suisse seit Jahren von einer Krise in die nächste schlittert (Gier und eine unangemessene Leitung).

Wir müssen uns stattdessen fragen, warum und wie der Zusammenbruch von drei Banken – die weniger als 0,5 % der weltweiten Bankaktiva ausmachen (wenn wir die Signature Bank mit einbeziehen) – das gesamte System bedrohen kann.

Nach-Krisen-Regeln von 2008: nicht ordnungsgemäß umgesetzt

Es drängt sich deshalb folgende Frage auf: deutet die Tatsache, dass jetzt alle Banken unter Druck stehen, darauf hin, dass die gut über das Bankensystem informierten Teilnehmer an den Finanzmärkten nicht darauf vertrauen, dass die Aufsichtsregeln ausreichend sind, um die Stabilität des Systems zu gewährleisten?

Die Antwort lautet „ja“. Die Anleger glauben nicht, dass die geltenden Regeln ausreichend sind, um die Stabilität des Systems zu gewährleisten. Dafür gibt es zwei Hauptgründe:

  1. Die USA und die EU haben erhebliche Ausnahmen von dem international vereinbarten Basel III Rahmenwerk (mehr über die Aufsichtsregeln im Bankwesen – die Basler Rahmenvereinbarung – und ihre Umsetzung in der EU erfahren Sie in unserem Leitfaden: „Basel III in 5 Fragen“) vorgesehen:

    In den USA gilt Basel III nicht für kleine und mittlere Banken. Im Jahr 2018 wurde ein Gesetz zur Anhebung des aufsichtsrechtlichen Schwellenwerts für Banken von 50 Milliarden Dollar auf 250 Milliarden Dollar verabschiedet.
    In der EU, die kurz vor der Verabschiedung eines Bankenpakets steht, das sowohl für große als auch für kleine Banken in der EU gelten wird, sind die Eigenkapitalanforderungen deutlich niedriger als in Basel III vorgesehen.
  2. Das Rahmenwerk Basel III ist von vornherein nicht sehr anspruchsvoll, selbst wenn es ordnungsgemäß umgesetzt würde.

Basel III mag das Gesamtkapital der Banken um das Drei- oder Vierfache erhöht haben, und die Finanzinstitute mögen ihre Liquiditätsquoten verbessert haben, aber wir sind unter Basel II von einer so lächerlich niedrigen Basis ausgegangen (auf nicht risikogewichteter Basis lagen die Eigenkapitalanforderungen an Banken unter Basel II oft bei unter 1 %), dass diese Anforderungen nach wie vor gering sind und wenig dazu beitragen, die Bankinstitute vor allen möglichen Ereignissen zu schützen.

Diese Schwäche wird durch die Tatsache verstärkt, dass Basel III die Banken als separate Einheiten betrachtet, nie aber in Beziehung zueinander. Dies ist jedoch angesichts der starken Verflechtung des Bankensystems ein großer Fehler.

„Klein genug, um bankrott zu gehen“?

Angesichts fallender Aktienkurse beklagen sich die Vorstandsvorsitzenden systemrelevanter Banken darüber, dass der Markt nicht verstehe, wie resilient ihre Finanzinstitute dank der jetzt für sie geltenden Aufsichtsregeln geworden sind.

In Wirklichkeit aber verstehen die Finanzmarktteilnehmer sehr wohl, was die geltenden Vorschriften bedeuten. Indem sie mit den Füßen abstimmen, senden die Marktteilnehmer die Botschaft, dass sie nicht darauf vertrauen, dass die bestehenden Regeln allein für ein resilientes Bankensystem sorgen. 

Sie wissen auch, dass die Behörden jedes Mal eingreifen müssen, wenn die Situation brenzlig wird. Hätten die Zentralbanken im März 2020, als die Pandemie uns alle in den Lockdown schickte, nicht Billionenbeträge locker gemacht, wäre das Finanzsystem zusammengebrochen.

Der über das Wochenende von den Schweizer Behörden ausgehandelte Deal zur Übernahme der Credit Suisse durch die UBS zu noch nie dagewesenen Bedingungen zeigt nicht nur, wie schlimm die Situation ist, sondern auch, wie unzureichend die bestehenden Regeln sind, wenn die Dinge schiefgehen. Wenn die aufsichtsrechtlichen Regeln versagen, ist die letzte Verteidigungslinie, um die Gesellschaft vor den Folgen zahlungsunfähiger Banken zu schützen, die Bankenabwicklung1.

Seit 2016 wurden die Banca Popolare di Vicenza, die Veneto Banca, die Banca Carige, die Monte dei Paschi di Siena und die NordLB mit öffentlichen EU-Geldern gerettet.

Letzte Woche haben die US-Behörden praktisch dasselbe getan, als sie die ungesicherten Einlagen der Silicon Valley Bank und der Signature Bank absicherten: „Gute Neuigkeiten, die Regeln haben sich zu Ihren Gunsten geändert!“

In den USA, wie auch in der EU, sind selbst kleine Banken einfach „too big to fail“ (zu groß, um bankrott zu gehen) geworden, oder vielleicht haben sie auch einfach „zu viele politische Verbindungen, um bankrott zu gehen“. Die Details jeder einzelnen Situation sind unterschiedlich, aber das Prinzip ist dasselbe. Es werden öffentliche Gelder für die Rettung nicht systemrelevanter Bankinstituten oder deren privater Gläubiger eingesetzt. 

Trotz der offiziellen Rhetorik und der seit 2008 beschlossenen Regeln bleibt „moral hazard“ das vorherrschende Prinzip im Bankwesen. Die Gewinne fließen in private Taschen und die Verluste werden von den öffentlichen Haushalten und den Zentralbanken, also von der Gesellschaft, getragen.

Bankenkrise: Stärkere internationale Bankenregeln benötigt. Banken erneut am öffentlichen Tropf: Zeit die Vorschriften zu verstärken

Beschuldigt nicht die Feuerwehr, sondern den fehlenden Brandschutz

In dieser Woche haben Abgeordnete des Europäischen Parlaments die europäischen Bankenaufsichtsbehörden ins Kreuzfeuer genommen (hier und hier erfahren Sie mehr darüber), um sich zu vergewissern, dass die Situation unter Kontrolle ist. Wenn es um die Finanzstabilität geht, sind die Bankenaufsicht und die Zentralbanken jedoch die Feuerwehr, während die Gesetzgeber die Architekten sind, die dafür sorgen, dass ein Haus unter Einhaltung angemessener Brandschutznormen gebaut wird.

Es ist jedoch nunmehr ironisch, dass die EU-Bankenaufsichtsbehörden von Mitgliedern des Europäischen Parlaments ins Kreuzfeuer genommen werden:

Alle ranghöchsten Vertreter der EU-Aufsichtsbehörden – Luis de Guindos (Vizepräsident der EZB) Andrea Enria (Vorsitzender des Aufsichtsgremiums der EZB), und José Manuel Campa (Vorsitzender der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde) – haben nämlich die Mitgesetzgeber der EU erst im November letzten Jahres vor den Gefahren einer Verwässerung der Basel-III-Vorschriften gewarnt. Der ECON-Ausschuss des Europäischen Parlaments ignorierte diese Warnung eklatant und verwässerte Basel III, als er am 24. Januar über das EU-Bankenpaket abstimmte.

Vielleicht sollten deshalb die Aufsichtsbehörden stattdessen die Mitgesetzgeber ins Kreuzfeuer nehmen. Oder die Mitgesetzgeber sollten von den europäischen Bürgerinnen und Bürgern zur Rechenschaft gezogen werden, weil sie – entgegen dem Rat ihrer eigenen Aufsichtsbehörden – den Lockrufen der Bankenlobby nachgegeben haben.

Wenn ein Haus brennt, hat es oberste Priorität, das Feuer zu löschen. Wir können sicher sein, dass die Zentralbanken alles tun werden, was nötig ist, um einen Zusammenbruch des Bankensystems zu verhindern, und das ist auch richtig so. Die auf die Gesellschaft zurück fallenden Kosten werden jedoch enorm sein. Die Bürgerinnen und Bürger müssen wieder einmal die Zeche zahlen, da das Bankensystem – das sicher bald wieder in Flammen aufgehen wird, wenn die Regeln nicht durchgesetzt werden – immer noch nicht zwischen Banken, die der Gesellschaft dienen, und solchen, die eine Brandgefahr darstellen, unterscheiden kann. 

Das kann nicht länger hingenommen werden. Die Finanzaufsichtsbehörden müssen den international vereinbarten Baseler Regulierungsrahmen vollumfänglich umsetzen, Abwicklungsregeln stärken und sich an diese halten.

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